Der eingewechselte Francisco Conceição hat Titelmitfavorit Portugal im Dauerregen von Leipzig vor einer Enttäuschung beim Start in die Rekord-EM von Superstar Cristiano Ronaldo bewahrt. Mit seinem Treffer in der zweiten Minute der Nachspielzeit sorgte der rund 120 Sekunden zuvor eingewechselte 21-Jährige für den verdienten 2:1-Sieg der klar dominierenden Portugiesen.
Gegen die destruktiv und praktisch mit einer Ausnahme völlig harmlosen Tschechen waren die Portugiesen in der 62. Minute durch ein Tor von Lukas Provod in Führung gegangen. Trotz Chancen im Überfluss auch von Ronaldo, der schier verzweifelte, musste ein Eigentor von Robin Hranac (69.) herhalten für den Ausgleich, ehe in einer mitreißenden Schlussphase Conceição traf.
Ein Lächeln umspielte Ronaldos Lippen noch, als er inbrünstig die portugiesische Hymne sang. Und den nächsten Rekord stellte er allein durch seine Präsenz auf: Nach seinem EM-Debüt 2004 ist diese Endrunde seine sechste, so viele wie kein anderer schaffte. Ihn zu neutralisieren, war eine der Hauptaufgaben der Tschechen, per Doppelverteidigung sollte es gelingen.
Ronaldo vergibt die erste Chance
In der achten Minute wäre es aber beinahe schon schiefgegangen. Rafael Leão setzte sich auf der linken Seite der Portugiesen durch, flankte nach innen, wo Ronaldo mit seinen giftgrünen Schuhen in die Höhe stieg. Den Kopfball setzte er aber neben das Tor.
So lange wie kein anderes Favoriten-Team mussten die Portugiesen auf ihren EM-Auftakt warten. Eine gewisse Ungeduld machte sich schon breit. Überstürzen wollten sie es auf dem Rasen, der nach früh einsetzendem Regen schnell wurde, aber nicht. Zu bewusst waren sie sich der Gefahr der Tschechen, die ihrerseits vor allem auf ihren Topstar hofften: Patrik Schick vom deutschen Double-Gewinner Leverkusen.
Hinzu kam trotz Ronaldo-Euphorie, die auch Leipzig schon vor dem Anpfiff gepackt hatte, dass die Fans des vermeintlichen Außenseiters gefühlt in der Überzahl waren und meist pfiffen, sobald Ronaldo am Ball war. Doch viel kam von Schick und seinem Team erst mal nicht. Die Dreierabwehrkette der Portugiesen mit dem neuen EM-Rekord-Oldie Pepe (41 Jahre und 113 Tage) hatte lange Zeit alles im Griff.
Die Räume, die sich in der Offensive für die Portugiesen boten, weil die Tschechen Ronaldo nicht aus den Augen ließen, nutzten vor allem die hochkarätigen Spielaufbauer Bruno Fernandes von Manchester United und Bernardo Silva von Manchester City. Fernandes scheiterte in der 24. Minute mit einem Distanzschuss.
Leichte Verzweiflung macht sich breit
Entlastung bei den Tschechen? Fehlanzeige! Stattdessen zauberte nun Ronaldo ein bisschen. Sein Sohn Cristiano junior hatte sich tags zuvor schon an seinem Geburtstag in der saudi-arabischen Fußball-Wahlheimat des berühmten Papas ausgerechnet in einem Deutschland-Trikot auf den Auftritt seines Vaters eingestimmt.
Auch er dürfte gejubelt haben, als Ronaldo in der 32. Minute im Strafraum der Tschechen an den Ball kam, deren überragender Torwart Jindrich Stanek aber mit einem fantastischen Reflex die Führung des Favoriten verhinderte, der mit der blitzsauberen Bilanz von zehn Siegen in zehn Spielen durch die EM-Qualifikation marschiert war. Ronaldo per Hacke eine Minute später auf Vitinha, Ronaldo in der 45. Minute mit einem Linksschuss. Aber der Ball wollte nicht ins Tor. 73 Prozent Ballbesitz nutzten da auch nichts. Es wurde ein Geduldsspiel für den Titelfavoriten.
Auch nach der Pause. Immer wieder suchten sie Ronaldo, ein Kopfball (54.) wurde zur Ecke abgelenkt, bei einem weiteren kurz danach blieb es bei einem Versuch. Leichte Verzweiflung machte sich schon breit. Ein Freistoß in der 58. Minute – für seine Verhältnisse viel zu unplatziert.
Er peitschte nach einer Stunde die eigenen Fans an, er trieb seine Mitspieler an. Und dann das: Die Portugiesen können den Ball bei einem der wenigen Angriffe nicht wegschlagen, er landet letztlich bei Provod, der Maß nahm und aus 18 Metern die Tschechen-Fans in Ekstase und die Portugiesen-Anhänger in Schockstarre versetzte.
Erst Hranac erlöste sie aus dieser, nachdem er einem eigentlich schon abgewehrten Ball von Torwart Stanek nicht mehr ausweichen konnte und den Ball unfreiwillig über die Linie stupste. Portugal machte weiter Druck, Bernardo Silva probierte es mit viel Wucht, Stanek parierte.
Und Diogo Jotas Kopfballtor kurz vor dem Ende zählte nicht, weil Ronaldo zuvor hauchzart im Abseits gestanden hatte. Besser machte es Francisco Conceicao, der in der Nachspielzeit aus kurzer Distanz nach Pass von Pedro Neto den Siegtreffer erzielte.