Die „Brandmauern“ zur AfD und zur Linkspartei zwingen die CDU dazu, Kompromisse einzugehen, die einige in der Partei am liebsten gleich mit der nächsten Brandmauer beantworten würden. Der landespolitische Annäherungsversuch an das BSW ist der schwierigste dieser Kompromisse.
Er zeigt nicht nur die Widersprüchlichkeit der Abgrenzungsversuche der CDU. Der Beschluss über die Unvereinbarkeit mit der Linkspartei kam immerhin wegen der damals noch bekennenden Kommunistin zustande, mit der sich CDU-Politiker, um Ministerpräsidenten werden zu können, heute in Berlin zum Kaffee treffen.
Diese Sahra Wagenknecht müsste immer noch ein rotes Tuch für die CDU sein. Ganz gelöst hat sie sich von ihrem Gedankengut schließlich nicht, vor allem nicht von ihrer Moskautreue.
Eine Belastungsprobe für die CDU im Westen
Die Ukrainepolitik, die das BSW zur Bedingung einer Koalition in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gemacht hat, ist für die westliche CDU – die SPD ist da offenkundig biegsamer – eine Belastungsprobe. Auf das BSW zuzugehen bedeutet, sich von der eindeutigen Linie, die aus dem Adenauer-Haus vorgegeben wird, zu lösen.
Es wäre aber falsch, das kürzlich in der F.A.Z. veröffentlichte Verhandlungsangebot Mario Voigts, Michael Kretschmers und Dietmar Woidkes an das BSW als Kotau vor Wagenknecht zu bezeichnen, wie das Grüne und FDP gerne tun, oder gar als Kipppunkt der Ukrainepolitik der CDU.
Die überraschende Reaktion Wagenknechts
Ein zentraler Punkt in Wagenknechts Appeasement-Liste kommt in ihrem Text erst gar nicht vor: Waffenlieferungen. Stattdessen empfehlen Woidke, Voigt und Kretschmer, auf die Ratschläge aus Polen und den baltischen Staaten zu hören. Mit anderen Worten: Waffenlieferungen.
Wenn Wagenknecht es ernst gemeint hätte mit ihren Forderungen, hätte sie das Dreier-Manifest zurückweisen müssen. Nicht dieser Text ist deshalb die große Überraschung, sondern Wagenknechts Reaktion: Es handele sich um einen klugen und differenzierten Text.
Sie gab damit indirekt zu, ihre Putin-Show nicht so weit treiben zu wollen, dass sie ihr die Regierungsbeteiligung in Dresden, Erfurt und Potsdam verhagelt. Stillschweigend kommt darin auch zum Ausdruck, dass die Weltpolitik dann doch eine Nummer zu groß ist, besser gesagt: irrelevant, um eine landespolitische Arbeitsgrundlage zu schaffen.
Das U-Boot Putins in deutschen Gewässern?
Gegner einer CDU/BSW-Koalition halten Wagenknechts Ukrainelinie aber noch aus einem anderen Grund für einen Popanz. Im BSW sehen sie das U-Boot Putins, das in die Gewässer deutscher Politik eindringt. Nicht nur der Inhalte wegen, sondern auch, um die CDU nicht zum Steigbügelhalter russischer Interessen zu machen, wollen sie eine dritte Brandmauer – nach Linkspartei und AfD nun auch zum BSW.
Der CDU blieben dann allerdings nur zwei Möglichkeiten in Sachsen und Thüringen. Entweder sie entscheidet sich für eine Minderheitsregierung, die unter Umständen mit wechselnden Mehrheiten regiert. Das wäre ein riskantes und strapaziöses Abenteuer für Voigt und Kretschmer.
Oder sie wählt (im Namen des „Volkswillens“?) die Opposition und überlässt das Feld der AfD, dem BSW oder Bodo Ramelow, also der Linkspartei. Es sind die drei Parteien, von denen die CDU überzeugt ist, dass man ihnen das Land nicht (allein) überlassen sollte. Worin darin der klügere und verantwortungsvollere Ansatz stecken soll, auf diese entscheidende Frage haben die Kritiker Woidkes, Voigts und Kretschmers keine Antwort.
Dem BSW sollten Bedingungen gestellt werden
Für Voigt und die zwei Ministerpräsidenten bleibt die Gefahr, dass sie selbst mit Präambel und Koalitionsvertrag nicht wissen können, worauf sie sich einlassen, wenn sie mit dem BSW zusammenarbeiten. Minimieren können sie dieses Risiko, indem sie ihrerseits Bedingungen stellen.
Eine dieser Bedingungen steckt schon in ihrem gemeinsamen Text. An Grundsätzen westlicher Sicherheit dürfe keine landespolitische Zusammenarbeit etwas ändern. Eine zweite Mindestanforderung müsste die Offenlegung der verschlungenen Parteienfinanzierung sein, die sich das BSW leistet und die sie immer wieder in den Verdacht bringt, Geld über Umwegen „aus Moskau“ zu beziehen.
Was auch immer am Ende von Options-, Sondierungs- und Koalitionsgesprächen in den drei Ländern steht, sie sind Ausdruck einer Verlegenheit, die durch Brandmauern geschaffen werden. Die Frage muss erlaubt sein, warum mit dem BSW überstürzt gelingen soll, was mit der AfD für restlos unmöglich erklärt wurde. Parlamentarische Demokratie besteht nicht aus Brandmauern, sondern aus Brücken. Sie zu bauen ist die größere Kunst.