Vor etwa fünf Dekaden, als Inhalt noch nicht Content hieß, war nicht alles besser. Wer jung war, wuchs allerdings mit dem Gedanken auf, dass Medien für Kinder nicht bloß einen von Erwachsenen umzäunten „kindlichen Horizont“ abbilden, sondern schöpferisch Erfahrungsräume öffnen. In vielen (westdeutschen) Kinderzimmern sprach der Erzähler Hans Paetsch Märchenkassetten ein, auf denen man den Kleinen einfach so klassische Musik zumutete. Wer je „Jorinde und Joringel“ mit Paetsch und Rimskij-Korsakows geheimnisvollem „Scheherazade“-Motiv gehört hat, weiß, wovon die Rede ist. Auch das Kinderfernsehen traute Kindern Verständnis zu. „Pan Tau“, „Luzie, der Schrecken der Straße“, „Das feuerrote Spielmobil“, Peter Lustig, der „Pumuckl“, „Sesamstraße“ und „Muppet Show“, schließlich von 1979 bis 2001 „Hallo Spencer“ vom NDR: Solches Fernsehen schuf Welten und war angemessen pädagogisch und lustig-anarchisch zugleich.
Es beginnt wie ein Märchen
In „Hallo Spencer – Der Film“ ist von der alten Puppenspiel-Herrlichkeit, vom Runddorf, in dem Bücherwurm Lexi einst im Pilz lebte; vom Eisenbahnwaggon, in dem Lulu und Elvis lieb zueinander waren; vom Jungdrachen Poldi und vom vorsichtigen Kasimir, und von Spencers Studio kaum mehr als zerschlissener Plunder geblieben. Der Film beginnt, wenn nicht alles täuscht, mit der Erzählerstimme des 2002 verstorbenen Hans Paetsch. Mit einer Art Märchenerzählung über den „Hallo Spencer“-Erfinder Jakob Sesam (Rainer Bock), der seine Puppenwelt in einer abbruchreifen Landdiskothek aufbewahrt und mit seinen Figuren lebt.
Jakob Sesam, den Rainer Bock als Peter Pan-Figur in Trauer gibt, lebt im „Coconut Cave“ für sich hin, tritt hier und da noch vor Kindern auf, die sich über ihn lustig machen. Geld hat er keins. Gerade liefern das orangene und das blaue Knetmännchen (Carsten Meyer und Jan Böhmermann) ihm die letzten Kisten aus dem Rundfunkarchiv.
Zehn Millionen muss Sesam auftreiben
Auftritt der Hexe, sprich von Peggy (Victoria Trauttmansdorff), einer Freundin und Besitzerin des Geländes. Zwei Wochen noch, dann machen die Bagger alles platt, für eine Seniorenresidenz. Es sei denn, Sesam treibt zehn Millionen Euro auf. Sesams Lebensliebe Luise (Margarita Broich) schwebt zwar wie ein guter Geist, wie die menschgewordene Schicksalsfigur Galaktika, über der Szenerie, aber die Lage ist ernst. Die zündende Idee: Ein „Hallo Spencer-Film“ muss her, mit all den Puppen, Kulissen und Achtziger-Charme. Denn Retrofernsehen ist in und lässt sich gut verkaufen. Der Puppenspieler trifft sich mit seinem früheren Produzenten und Mitstreiter Wolf Bosch (Achim Hall) in dessen Kuriositätenkabinett, um ihn für den Plan zu begeistern. Bosch bleibt desillusioniert, schließlich hat er in L.A. Karriere gemacht.
So weit, so charmant. Im ersten, dem märchenhaften Teil, wirkt es, als könnte „Hallo Spencer – Der Film“ ein Ausflug ins Kinderland der Phantasie werden (Regie Timo Schierhorn, Kamera Jutta Pohlmann). Aber leider wendet sich das Blatt. Denn die Idee hinter dem Film ist eine, die mit der Welt des tatsächlichen Spencer-Erfinders Winfried Debertin nur zum Teil etwas zu tun hat. Der andere, immer eindimensionaler wirkende Teil ist Mediensatire. Es geht um eine Schnelldurchlauf-Abrechnung mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, mit Streamingdiensten und Berliner Zeitungsverlegern, die ein Medienimperium aufbauen wollen. Nach und nach wird der Film zur witzlosen Angelegenheit mit Insiderjokes.
The idea comes, unsurprisingly, from Jan Böhmermann, co-producer and screenwriter together with Elias Hauck and Tim Wolff. At the latest, when Jakob Sesam presents his script to various streamers, is rejected, only to meet ancient white men in the “public transport” who demand “diversity”, and a program director who was already a dud as an intern, the magic is gone . Jens Harzer and Malina Galic as a Mephistophelian publishing couple who subject the kidnapped dolls to a “makeover” are a highlight of the unimaginative. The dolls end up in a garbage bag with a “To Give Away” sign on the Berlin sidewalk.
In the end, the reconciliation of fairy tale motifs and media scolding should be found in the starry night sky. Dirk von Lowtzow (Tocotronic) sings a heartbreaking song with the Qietschbeus about the dignity of art. All the magic is long gone.
Hello Spencer – The Movie runs today, December 25th, at 8:15 p.m. on ZDFneo; on December 27th at 11:45 p.m. on ZDF and in the media library.