Der Geschäftsführer schwer in Rage, der Trainer ziemlich ratlos und die Mannschaft von sich selbst entsetzt: Die Stimmung war am Nullpunkt, als der Tross von Borussia Dortmund nach dem Debakel von Kiel mit dem Flugzeug in Richtung Frankfurt abhob.
Der katastrophale Auftritt bei der 2:4 (0:3)-Pleite im hohen Norden, die die schlechteste Hinrunde seit zehn Jahren besiegelte, lässt beim BVB keine schnelle Rückkehr zur Tagesordnung zu, so viel ist klar. Beim Branchenriesen stellen sich grundsätzliche Fragen angesichts der ernsthaften Gefahr, den Status als Dauergast der Champions League zu verspielen. Der Schaden wäre enorm, Coach Sahin darf aber trotz der verheerenden Zwischenbilanz erst einmal weitermachen.
Keine Trainerdiskussion
„Die Diskussion brauchen wir gar nicht zu führen“, sagte Geschäftsführer Sport Lars Ricken, der den 36-Jährigen aus seiner scharfen Generalkritik („peinlich“, „unwürdig“) ausklammerte und viel mehr seine hochbezahlten Profis deutlich anzählte. Weitere empfindliche Tiefschläge in den schweren Auswärtspartien in Frankfurt am Freitag (20.30 Uhr/DAZN) und in der Champions League am Dienstag in Bologna sollte Sahin sich allerdings nicht leisten.
Der einstige Mittelfeldregisseur der Schwarz-Gelben, der im Sommer als Cheftrainer auf Edin Terzic folgte, weiß klar, was die Stunde geschlagen hat. Er braucht Ergebnisse, und zwar schnell. „Als Trainer trage ich die komplette Verantwortung. Es ist klar, dass man auch über den Trainer diskutiert. Davon kann ich mich nicht freireden“, sagte Sahin bei Sky, den Blick auf die Königsklassenränge verbot er sich und seinem Team. In der Form von Kiel würde es sogar für die Conference League nicht reichen.
Sahin gelingt es nicht, den teuren Kader, der für deutlich höhere Ziele zusammengestellt wurde, zu einer Beständigkeit zu führen, die den Ansprüchen der Westfalen gerecht wird. Der BVB ist im Moment eine Wundertüte im negativen Sinne, auf hoffnungbringende Signale folgen immer wieder schwere Enttäuschungen. Es muss eine echte Wende her. „Wir brauchen ein top halbes Jahr, um überhaupt in die Champions League zu kommen“, sagte Ricken.
„Es fehlen Top- und Führungsspieler“
Personelle Korrekturen in diesem Winter scheinen unausweichlich. Nach dem Abgang von Donyell Malen für rund 25 Millionen Euro zu Aston Villa dürften Sportdirektor Sebastian Kehl die nötigen Mittel für Verstärkungen zur Verfügung stehen. Diese müssen sitzen. Linksverteidiger Renato Veiga vom FC Chelsea gilt als ein Kandidat.
Derzeit scheint die Mischung im Team nicht zu passen. „Es fehlen ein, zwei absolute Top- und Führungsspieler im Kader“, sagte auch Michael Ballack der Sport Bild mit Blick auf die Borussia und zog einen aktuell schmerzlichen Vergleich mit den sportlich enteilten Leverkusenern, die unter anderem in Granit Xhaka einen echten Leader haben. Beim BVB fehlt dagegen die Widerstandsfähigkeit in kniffligen Situationen – Kiel diente als neuerlicher Beweis.
Sahin dürfte auch dieses Thema im Team klar adressieren. „Es ist Zeit, dass wir sowohl in der Mannschaft als auch komplett uns die Wahrheit sagen“, sagte der BVB-Coach schwer frustriert und kündigte „Konsequenzen“ an. Sein Klub droht in der Liga im Mittelmaß zu versinken – sollten die dringend nötigen Sofortmaßnahmen nicht schnell fruchten.