Einen Monat vor dem Bruch der Ampelkoalition saßen sie schon einmal zusammen im Fernsehstudio: Sahra Wagenknecht und Alice Weidel. Damals, am 9. Oktober 2024, war das ein kleiner Coup von Welt TV, den andere sich nicht getraut hätten. Deutschland stand unter dem milden Schock dreier Landtagswahlen im Osten, und irgendwie musste man annehmen, mit diesen beiden Frauen sei zu rechnen. Man wusste nur noch nicht, wie und zu welchen Bedingungen. Entsprechend lief das Duell der starken Parteichefinnen damals ab. Die BSW-Vorsitzende Wagenknecht spulte ihr Programm ab, blieb aber kühl gegenüber den Avancen der Jüngeren. Und die AfD-Vorsitzende Weidel wusste auf mancherlei keine Antwort und sah öfter hilflos und zappelig aus.
Dann kam der November und mit ihm Lindners Rauswurf sowie ein vorgezogener Wahltermin – und auf einmal schaut eine gelassene Alice Weidel, die nach dem 23. Februar die zweitstärkste Bundestagsfraktion anführen könnte, bei Sandra Maischberger auf eine geschrumpfte Sahra Wagenknecht herab, die mit ihrem ziemlich exklusiven Bündnis um den Einzug in den Bundestag bangen muss.
Weidels phänomenale Geschichtsklitterung
Sollte alle Welt Weidels devoten, gedankenarmen Online-Chat mit dem reichsten Mann der Welt für ein Fiasko gehalten haben – sie selbst sieht das offenbar anders. Sie ist so selbstbewusst geworden, dass ihre phänomenale Geschichtsklitterung, Hitler sei eigentlich Kommunist gewesen, nicht einmal als skandalös wahrgenommen wurde.
Die Latte liegt schon so tief, dass man kaum noch darunter hindurchkriechen kann. Denkbar ist natürlich auch, dass Donald Trumps historische Soloshow zur Amtseinführung uns alle abgehärtet hat. Jeder Tag bringt neuen Bullshit, der uns um den Verstand bringen müsste, und trotzdem muss man sich jeden Morgen die Zähne putzen, zur Arbeit gehen und so tun, als wäre die Welt noch wiedererkennbar.
Herr Stalin und Herr Höcke
Es gehört zur Struktur von Maischbergers Talkshow, dass die Dreier-Journalistenrunde am anderen Tisch eine Art rationales Korrektiv zur Selbstdarstellung des eingeladenen Politikers bildet, theoretisch jedenfalls. Das hat auch diesmal mit Albrecht von Lucke, Nikolaus Blome und Linda Zervakis ganz gut geklappt, nur dass niemand genau wissen konnte, wann das Gespräch zwischen Weidel und Wagenknecht aus dem Gleis springen würde. Als es dann sprang, war es fast wie vor drei Monaten: Weidel warf Wagenknecht vor, sie sei früher mal „Stalin nachgelaufen“, und Wagenknecht rieb Weidel unter die Nase, sie selbst habe doch Björn Höcke aus der AfD entfernen wollen, sei aber damit gescheitert.
Die immer aufmerksame Maischberger fragte bei Weidel nach, wie es denn nun sei: „Ist Herr Höcke moderater geworden? Oder sind Sie radikaler geworden?“ Da gab die AfD-Chefin die denkwürdige Antwort: „Björn Höcke hat Wahlen in Thüringen gewonnen, mit 35 Prozent.“ Auf Maischbergers Nachfrage, ob Höcke nicht nahe am Nationalsozialismus sei: „Natürlich nicht. Warum?“
Dann ging es ein bisschen durcheinander, ein paar Tröge schmutziger Wäsche wurden schrappend hin- und hergeschoben, und als das Studio sich wieder beruhigt hatte, stellte Maischberger ihre Frage anders: „Hat sich Björn Höcke so gewandelt, dass Sie ihn wegen übergroßer Nähe zum Nationalsozialismus nicht mehr kritisieren können?“ Weidels Antwort: „Herr Höcke gewinnt Wahlen.“ Herr Höcke sei „sehr, sehr klar im Ton“. Und er sei „moderat“. Und man könne es sehen, wie man wolle, aber: „Er hat 35 Prozent geholt.“ Keine weiteren Fragen.
Antworten Sie mit Ja oder Nein
Der lustigste Teil der Talkshow war zugleich der, bei dem wir uns alle unter unserem Niveau amüsieren durften, nämlich mit Maischbergers Multiple-Choice-Test. Erlaubt waren nur Ja- oder Nein-Antworten. Wagenknecht kann das aber nicht, sie hat ihre talking points, man könnte auch den Verdacht hegen, sie habe die komplexere Weltsicht. Das war die Phase, als Weidel sich völlig entspannte, auf annähernd natürliche Weise lachte und fast schon nett wirkte. Nichts hält so jung wie Erfolg.
So: Should you pay social security contributions on stock profits? Both women said: No. Is the combustion engine shutdown correct? Both: No. A speed limit of 130 kilometers per hour? Another no from both of them. And then the profound question: “Should there be gender-neutral toilets in public authorities?” A brief moment of shock. “Is that really your problem?” asked Wagenknecht. “Nope, one question,” Maischberger countered. Then Weidel intervened: “Is it really about unisex toilets?” Maischberger: “It’s about gender-neutral toilets.” After that was clarified, Weidel’s confident answer came: “No.” The AfD leader would have had hers that easily Examination at Maischberger is definitely not presented. Germany is looking for the super toilet.
Heartfelt request to the CDU
There were a few more important issues. Accordingly, Weidel is for general conscription, Wagenknecht is against it. Weidel also wants to withdraw from the Paris climate protection agreement. Both women want to reform the debt brake. Weidel owns Bitcoin, Wagenknecht does not. Weidel wants more armor, Wagenknecht less, but they already knew that.
Neither woman could explain how what their respective parties plan to distribute to their clientele will be financed. But that may be exactly what was meant when both spoke of a “reform” of the debt brake. By the way, Alice Weidel would also buy a car from Tesla; she is for “openness to technology”. However, some people may think that their new friend Elon could get a discount.
Almost forgotten: Alice Weidel would really like to form a coalition with the CDU; there has rarely been a more heartfelt request from one party to the other. But we are counting on Friedrich Merz to let any intimacy roll off of him.
Shortly afterwards there was the matter of Hitler, who was supposedly a communist, but we won't go into that anymore.
Instead, straight to Maischberger's bedtime treat, namely Donald Trump's former national security advisor John Bolton, who put up with his former boss for almost a year and a half, but now, a good five years later, looked completely white-haired and a bit plucked from the television screen. Bolton recommended that Trump be assumed to have as little rationality as possible, beyond his ego powers; the new president is as chaotic as ever. One has to worry about Ukraine because Putin could freeze the war and calm would return, but Ukraine would lose a lot of its territory as a result. His advice to the future Chancellor, should he become one: “If Mr. Merz plays golf with Trump and doesn’t win against him, he could build a successful relationship with him.”