Der Grünenpolitiker Stefan Gelbhaar nimmt die Entschuldigung des Rundfunks Berlin-Brandenburg für die fehlerhafte Berichterstattung über ihn vorerst nicht an. „Man kann sich erst entschuldigen, wenn man die Fehler aufgearbeitet hat“, sagte Gelbhaar im Gespräch mit der „Berliner Zeitung“. Er sei das „Ziel von massiven Straftaten geworden“, das hinterlasse einen „sehr tiefen Riss in einem. Wenn diese falschen, krassen Behauptungen dann noch dermaßen breit in der Öffentlichkeit, im eigenen Umfeld, im weiteren Umfeld, überall diskutiert werden – das macht dich kaputt.“
Öffentlich um Entschuldigung gebeten hatten Gelbhaar die RBB-Intendantin Ulrike Demmer und der Chefredakteur David Biesinger. Inzwischen hat der Sender zudem angekündigt, dass die Beratungsfirma Deloitte und der frühere NDR-Journalist Stephan Wels das Zustandekommen der fehlerhaften Berichterstattung über Gelbhaar untersuchen sollen. An diesem Montag beginnen sie damit.
Die Umstände der RBB-Berichte sind dubios
Dass Stefan Gelbhaar die Entschuldigung der Senderspitze noch nicht annimmt, hat mit den dubiosen Umständen der RBB-Berichterstattung zu tun. So verfolgte der RBB die anonymen Vorwürfe vermeintlicher sexueller Belästigung aus Reihen der Grünen gegen Gelbhaar vehement und übte Druck auf ihn aus. Am 31. Dezember berichtete der Sender in der „Abendschau“ groß über die anonymen Vorwürfe.
Inzwischen weiß man, dass die gravierendsten einer Person namens „Anne K.“ zugeschrieben werden, die es gar nicht gibt. Eine Grünen-Bezirkspolitikerin, die aus ihrer Partei inzwischen ausgetreten ist, soll sie erfunden haben. Gegen sie wurde Strafanzeige gestellt. Obwohl komplett erfunden, inszenierte der RBB die Aussage von „Anne K.“ vor der Kamera mit einem nachgestellten Gespräch. Das sollte Eindruck machen. Von den weiteren Vorwürfen gegen ihn weiß Gelbhaar von der zuständigen Ombudsstelle der Grünen inzwischen, „dass es hier um subjektives Unwohlsein gehen soll, um Eindrücke“.
In die gegen ihn gerichtete Aktion sei der RBB seit dem 14. Dezember eingebunden gewesen, sagt Gelbhaar in der „Berliner Zeitung“. An dem Tag traf sich die Landesdelegiertenkonferenz der Grünen, um die Kandidatenliste für die Bundestagswahl aufzustellen. Kurz zuvor waren bei der Ombudsstelle der Grünen in Berlin 18 anonyme Hinweise auf Gelbhaars vermeintliche sexuelle Belästigungen eingegangen. Die Sprecherin der Berliner Grünen Jugend, Leonie Wingerath, tauchte im RBB am 14. Dezember mit der Einlassung auf, sie wisse von „schweren Vorwürfen im Bereich sexualisierter Gewalt“ gegen Gelbhaar. Nachdem der Bericht erschienen war, zog Wingerath ihre Aussage zurück.
Und dann kam „Anne K.“
Am 31. Dezember berichtete der RBB in großem Stil über die Vorwürfe gegen Gelbhaar. Mit diesen habe man ihn zwar vor der Ausstrahlung konfrontiert, doch sei seine Entgegnung, bei den anonymen Hinweisen könne es sich um eine parteiinterne Intrige handeln, ignoriert worden. „Ich hatte das Gefühl, der RBB hat sein Stück im Kopf fertig und wollte quasi nur der guten Ordnung halber noch die Stellungnahme von mir haben“, sagte Gelbhaar der „Berliner Zeitung“. „Ich verstehe auch nicht, warum das unbedingt am 31. Dezember veröffentlicht werden musste. Gab es da Druck?“
Schaut man sich allein die Abfolge der Ereignisse an, wird verständlich, warum Gelbhaar die Entschuldigung des RBB vorerst nicht annimmt: Am 14. Dezember berieten die Berliner Grünen über ihre Landesliste für den Bundestag, kurz vorher tauchten intern die Vorwürfe gegen Gelbhaar auf. Am 14. Dezember setzte die Berichterstattung des RBB ein. Gelbhaar verzichtete auf seinen Listenplatz. Doch er wurde nicht nur diesen los. Am Abend des 8. Januar wiederholte der Grünen-Kreisverband Berlin Pankow die Wahl des Direktkandidaten für den Bundestag, die Gelbhaar im November mit 98 Prozent der Stimmen gewonnen hatte. Nun wurde an seiner Stelle die Kandidatin Julia Schneider gewählt. Gelbhaar war komplett raus.
Die Berichte des RBB hätten bei all dem eine massive Rolle gespielt, sagt Gelbhaar in der „Berliner Zeitung“. Und es sei noch nicht klar, welche Rolle „der Chef vom Dienst spielt, die Chefredaktion, die Rechtsabteilung, die Rechercheabteilung“. Von den angeblichen Vorwürfen gegen ihn habe er überhaupt erst erfahren, als der RBB über die Aussage der Sprecherin der Grünen Jugend, Leonie Wingerath, berichtete. Vorher konfrontiert habe der RBB ihn damit nicht, sagt Gelbhaar. Wingerath nahm ihre Aussage, wie erwähnt, nach dem RBB-Beitrag zurück.