Auktionshaus, das Wort lässt an eine Stadtvilla in bester Lage denken, mit weiß getünchten Wänden, Firmenschriftzug in goldenen Lettern, Interieur aus dunklem Holz. Und der Auktionator erteilt mit einem Hämmerchen den Zuschlag. Kolb Antik dagegen ist an der Peripherie zu finden. Das Internetauktionshaus logiert in einer ehemaligen Textilfabrik in Neu-Ulm zwischen einem Baumarkt, einem türkischen Supermarkt und Beates Currywurst. Wenn schon klassisch, dann ist Kolb Antik klassisch Flohmarkt. Alles hier ist Krempel – „Kruscht“, wie man im Schwäbischen sagt –, aber alles zusammen ist sehr viel wert. Ein Fundstück kann Tausende Euro bringen. Das ist der tägliche Reiz, der alltägliche Wahnsinn. Es ist kein Zufall, dass der Inhaber Wolfgang Kolb Schwabe ist: Im Schwäbischen sind die Dachböden und Keller voll von Kruscht. Hier hebt man auf, über Generationen hinweg, und wenn man lange genug wartet, ist das Siebzigerjahrejugendzimmer in Orange ein teurer Klassiker geworden.
Bedeutsam? Noch unklar
Besuch im Büro: Wolfgang Kolb, 58 Jahre alt, nimmt sich Zeit. Yogalehrer sei er früher gewesen, sagt er. Vielleicht hilft das ihm, ruhig zu bleiben in einem hektischen Geschäft, in diesem Wirrwarr von Waren. Die Räume von Kolb Antik sind ein großes Lager. Auf 1500 Quadratmetern und in sämtlichen Büros stapelt sich Zeug. Kolb weiß um die Wirkung. „Etwas kruschtelig hier“, sagt er. Wer sich nicht auskennt, könnte die Skulpturen dort auf dem Bord für Giacometti-Bronzen halten. Kolb ist gerade dabei, die Urheberschaft zu ermitteln. Die gotische Pietà hingegen, behauptet Kolb, würde auf dem Antikmarkt in Maastricht 200.000 Euro bringen. „Bei uns um die 25.000.“
Ist das kokett? Kolb erzählt, wie er in jungen Jahren europaweit auf Messen und Märkten unterwegs war. „Ich habe zunächst verstanden: Man muss sich auskennen, vor allem aber muss man das Expertentum ausstrahlen. Mit der Zeit kam ich drauf, dass all die Experten auch nicht mehr wissen. Die tun nur so!“, sagt er. Er gehe auch nicht mehr in Ausstellungen oder ins Museum; sein eigener Handel sei schließlich eine Art Wechselausstellung. „Ich mache dieses Geschäft seit vierzig Jahren und sehe jeden Tag etwas, das ich noch nie gesehen habe.“ Aber er setzte sich auch Grenzen: „Wenn wir auf einem Dachboden Waffen oder Kriegszeug finden, lassen wir es liegen.“
Was Kolb nicht weiß, weiß der Schwarm
Kolb hat früh auf den Onlinehandel gesetzt. Im Jahr 2000 meldete er einen Ebay-Shop an. In Ulm und um Ulm herum, das war die Reichweite des Antiquitätenhändlers mit Laden in Ulm zuvor gewesen. Heute zählt Kolbs Plattform „Kurprinz“ 33.000 Follower und gehört zu den zwölf umsatzstärksten Auktionshäusern in Deutschland. Bei Ebay ist Kolb europaweit der größte Anbieter für Sammlerstücke. Kolb glaubt, er sei das „vermutlich sogar weltweit“.
Mit Klasse allein wäre er nicht so weit gekommen. Wenn Kolb einen Hausstand räumt, nimmt er alles mit, was ihm sinnvoll erscheint, auch „den staubigen Teppich, jedes Mokkatässchen“. Die Summe macht es im Verkauf. Kolb hat Lieferanten aus dem Inland, aus Österreich, der Schweiz, Italien und Frankreich. Täglich fährt mindestens ein Transporter vor, angefüllt mit allem Möglichen. In diesen Wust taucht Kolb ein, wobei er auch Leute für das Sortieren und Begutachten hat. Vierzig Beschäftigte bereiten die Ware auf, fotografieren und kennzeichnen sie online mit knappsten Texthinweisen. Die Hälfte des Geschäfts macht allein die Logistik aus, das Verschicken von Paketen in alle Welt. Zehn Kunsthistorikerinnen arbeiten inhaltlich.