Das Aufregendste, was in der Sommerpause über die SPD berichtet wurde, war ein Strafbefehl in Wiesbaden. Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Marius Weiß hatte eine Kopie seines Parkausweises gefälscht, um seiner Ehefrau, der Justiziarin der SPD-Landtagsfraktion, einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe zur gemeinsamen Arbeitsstelle zu ermöglichen.
Nicht nur gemessen an den Problemen im Land handelte es sich um eine Provinzposse, aber die eheliche Solidarität des Landespolitikers schlug medial höhere Wellen als die beiden fast zur gleichen Zeit ausgestrahlten Sommerinterviews, in denen der sozialdemokratische Bundeskanzler und die SPD-Ko-Vorsitzende Esken zu den großen aktuellen Themen Stellung nahmen.
Es gab Zeiten, da wäre mangelnde öffentliche Anteilnahme an Aussagen hoher SPD-Vertreter in Krisensitzungen beraten worden. Doch das ist vorbei. Interviews, die niemanden erregen, sind in der Kanzler-SPD zu einer geachteten Währung geworden. Wer nicht in den Zeitungen stattfindet, wird nicht beim Regieren gestört. In der alten Linken hieß es noch, Unruhe sei die erste Bürgerpflicht.
In der neuen SPD ist Disziplin zur obersten Parteipflicht geworden, wenn nicht zur Lust. Fast sein ganzes Leben über sei die „SPD gleichbedeutend mit Krise“ gewesen, stöhnt ein Parteidiener, der langsam auf die 60 zugeht. Die momentane „Phase der Seriosität und Ruhe“ könne man daher gar nicht anders als genießen.
„Auf die Wahl kommt es an.“
Allein, wären da nicht die Umfragen. Seit der Bundestagswahl vor bald zwei Jahren haben die Sozialdemokraten mehr als ein Viertel ihrer Wählerstimmen eingebüßt. Sie sind die erste Partei in der Geschichte der Bundesrepublik, die gleichzeitig den Kanzler stellt und in Umfragen nur auf Platz drei rangiert, hinter der Union, und hinter der AfD. Noch gibt man sich gelassen unter den Hausstrategen.
Vor der Bundestagswahl hätte man schließlich auch schlecht dagestanden in den Umfragen – in den Wochen vor dem Wahltag kam dann der Umschwung, heißt es immer wieder. „Wir haben gelernt, dass es auf die Wahl ankommt, und zwar nur auf die Wahl“, spricht sich einer Mut zu.
Aber lässt sich daraus ein Gesetz ableiten? Zumindest bei den Landtagswahlen im Oktober haben die Sozialdemokraten nicht viel zu erwarten. Der bayerische SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn wirkt ernsthaft stolz darauf, dass seine Partei in Umfragen schon mal bei 13 Prozent gesehen wurde.
Am Ende wird er es wohl auch als Erfolg verbuchen, wenn es seine Landes-SPD knapp über die Zweistelligkeitsschwelle schafft; das letzte Mal, 2018, reichte es nur für 9,7 Prozent. Von Brunn versichert, dass er von der Bundes-SPD nach Kräften unterstützt werde, und zählt all die Besuche auf, die er im Wahlkampf erwarten darf, nicht zuletzt von Kanzler Scholz. Am vergangenen Donnerstag sitzt Lars Klingbeil neben ihm, SPD-Ko-Chef Nummer zwei, der dem bayrischen Spitzenkandidaten auf einer Sommertour durch Franken ein bisschen Wahlkampfhilfe leistet.
Einen Tag später tritt Klingbeil dann in Rüsselsheim mit der Frau auf, die sich Hoffnungen auf die hessische Staatskanzlei macht. Doch auch für Nancy Faeser wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Die letzten Umfragen sahen sie sieben Prozentpunkte hinter Ministerpräsident Boris Rhein, der nicht gerade als Schwergewicht der CDU gilt.