Schon vor Wochen hat Donald Trump nahegelegt, dass er die erste Fernsehdebatte der republikanischen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur schwänzen werde. Ungeachtet seiner juristischen Probleme führt der frühere Präsident das Bewerberfeld mit einem Vorsprung von 40 Prozentpunkten an. Warum sollte er seinen Rivalen die Gelegenheit geben, ihn in die Mangel zu nehmen, fragte er damals in der ihm eigenen Selbstverliebtheit.
Trumps Äußerung sorgte seinerzeit in der Parteiführung für Unruhe. Mitte Juli reiste Ronna McDaniel, die Vorsitzende des „Republican National Committee“, nach Bedminster in New Jersey, zur Sommerresidenz Trumps. Sie appellierte an ihn, an dem TV-Event, das am Mittwoch in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin stattfindet, teilzunehmen. McDaniel, deren Amt dem einer Bundesgeschäftsführerin der Parteiorganisation entspricht, dachte bereits über die republikanischen Vorwahlen hinaus. Bleibe Trump dem Termin fern, liefere er Präsident Joe Biden einen Vorwand, sich einem TV-Duell mit seinem Amtsvorgänger zu verweigern, sollte dieser sich in den Vorwahlen durchsetzen.
Das Argument McDaniels war wohl überlegt. Die implizite Botschaft lautete: Trump habe die parteiinternen Rivalen nicht zu fürchten, vielmehr solle er schon den Hauptwahlkampf gegen Biden 2024 in den Blick nehmen. Trump hat mehrfach hervorgehoben, dass er sich ein Aufeinandertreffen mit seinem Nachfolger auf einer großen Medienbühne, wie es seit Jahrzehnten in Präsidentenwahlen üblich ist, wünsche. Und seine Berater setzen darauf, dass er den 80 Jahre alten Amtsinhaber, der sich in Live-Sendungen häufig verhaspelt, zerpflücken kann.
„Die Öffentlichkeit weiß, wer ich bin“
Es sieht aber so aus, als habe McDaniel Trump nicht überzeugen können. Am Sonntag bestätigte er Hinweise, er werde nicht an der Fernsehdebatte teilnehmen. „Die Öffentlichkeit weiß, wer ich bin und was für eine erfolgreiche Präsidentschaft ich hatte“, schrieb er auf seiner Online-Plattform Truth Social. Er habe die Publicity nicht nötig, sollte das heißen. Und: Er habe kein Interesse daran, die Einschaltquoten durch seine Teilnahme in die Höhe zu treiben. Darauf hoffen seine Rivalen, zumal jene, die einer breiteren Öffentlichkeit noch unbekannt sind.
Während Trumps Mitbewerber auf der Bühne in Milwaukee stehen, soll offenbar ein schon aufgezeichnetes Interview, das der frühere „Fox-News“-Moderator Tucker Carlson führte, veröffentlicht werden. Man darf unterstellen, dass es Trump zumindest auch darum geht, sich an dem konservativen Murdoch-Sender zu rächen, der es mitunter wagt, kritisch über ihn zu berichten und sich kürzlich sogar von seinem wichtigsten Sprachrohr Carlson trennte.
Trump ist freilich stets für Überraschungen gut. Nicht auszuschließen, dass er sich die Sache noch einmal überlegt. So oder so: „Fox News“-Moderator Bret Baier, einer der Gastgeber der Fernsehdebatte und einer der verbliebenen seriösen Journalisten des Senders, baute schon einmal vor: Wenn Trump nicht präsent sei, werde er trotzdem präsent sein. Sollte heißen: Auch wenn der führende republikanische Bewerber nicht zu dem TV-Event erscheine, werde er Thema sein. Seine Rivalen müssen damit rechnen, sich zum früheren Präsidenten äußern zu müssen.
Das Dilemma von Trumps Rivalen
Trump ist inzwischen viermal angeklagt worden, zuletzt im Bundesstaat Georgia wegen des Versuchs, das Ergebnis der Präsidentenwahl 2020 zu kippen. Bis Freitag muss er sich daher wieder der Justiz stellen. Die Strafverfolgung, als deren Opfer sich Trump stilisiert, nutzt ihm zwar, seine Wählerbasis zu mobilisieren. Nach Meinung vieler republikanischer Parteistrategen schade sie ihm aber im Hauptwahlkampf gegen Biden, sollte er sich in den Vorwahlen durchsetzen. Für viele unabhängige Wähler und moderate Republikaner ist Trump durch sein Verhalten rund um den 6. Januar 2021 unwählbar. Seine Rivalen stehen vor dem Dilemma, dass sie sich einerseits von Trump abgrenzen müssen, andererseits Kritik an ihm Punkte im rechtspopulistischen Lager kostet.
Die Parteiorganisation hat strenge Regeln für die Teilnahme an der ersten Fernsehdebatte festgelegt. Zum einen müssen die Kandidaten 40.000 Einzelspender für ihre zentrale Wahlkampfkasse sowie 200 Einzelspender in mindestens 20 Bundesstaaten belegen. Zum anderen müssen sie in drei nationalen Umfragen mindestens ein Prozent Unterstützung vorweisen oder aber ein Prozent in zwei nationalen Umfragen sowie in zwei Befragungen in verschiedenen Bundesstaaten, in den die Vorwahlen Anfang nächsten Jahres beginnen.
Neben Trump haben sich bisher nach Angaben der jeweiligen Wahlkampfteams acht Mitbewerber qualifiziert: Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida, der mit knapp 20 Prozent der Zweitplatzierte in den Umfragen ist, der afroamerikanische Senator Tim Scott, Chris Christie, der frühere Gouverneur von New Jersey, Mike Pence, der frühere Vizepräsident, Nikki Haley, die frühere Botschafterin bei den Vereinten Nationen, der Biotech-Unternehmer Vivek Ramaswamy, der Gouverneur von North Dakota Doug Burgum sowie Asa Hutchinson, der frühere Gouverneur von Arkansas.
Trumps mutmaßliches Fernbleiben dürfte zu einem eher lauwarmen Schattenboxen der Rivalen mit dem früheren Präsidenten führen, da viele von ihnen deutliche Kritik an Trump meiden. Es wird aber zu Binnengefechten kommen, die hauptsächlich Ron DeSantis gelten dürften. Da dieser bisher in den Umfragen hinter den Erwartungen zurückblieb und er sein Wahlkampfteam aufgrund finanzieller Engpässe in der Kampagnenkasse schon verkleinern musste, machen sich andere Hoffnung auf die Verfolgerposition. Bemühungen im Establishment der Partei, Trump als Kandidaten zu verhindern, hätten ohnehin nur noch eine Chance, wenn sich das Bewerberfeld bis zum Vorwahlauftakt im Januar merklich verkleinert.