Nach dem schweren Erdbeben in Marokko mit mindestens 2012 Toten hat ein weiteres Erdbeben das Land erschüttert. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 3,9, laut der marokkanischen Nachrichtenseite Hespress wurde eine Stärke von 4,5 verzeichnet.
Derweil geht die Suche nach Überlebenden weiter. In abgelegenen Bergdörfern des nordafrikanischen Landes gruben sich Rettungskräfte mit schwerem Gerät durch Trümmer eingestürzter Häuser. Ein kleines Bergdorf in der Provinz Chichaoua wurde nahezu vollständig zerstört, wie der staatliche marokkanische Fernsehsender TV 2M am Sonntag meldete. 65 Leichen seien geborgen und ein Massengrab eingerichtet worden. Es wurden Drohnen eingesetzt, um den Einsatzkräften bei der Suche nach Leichen zu helfen, wie die Nachrichtenseite Hespress berichtete. Allein in Chichaoua wurden 191 Todesfälle registriert.
Mindestens 2059 weitere Personen sind den Angaben des marokkanischen Innenministeriums zufolge verletzt worden. davon befinden sich 1404 in kritischem Zustand. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind mehr als 300.000 Menschen von der Katastrophe betroffen. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Opfer noch weiter zunehmen wird. König Mohammed VI. ordnete eine dreitägige Staatstrauer an.
Das schwerste Erdbeben seit Jahrzehnten in dem nordwestafrikanischen Land hat zudem großen Schaden angerichtet. In weiten Gebieten, vom Atlasgebirge bis zur berühmten Altstadt von Marrakesch, wurden Gebäude teils völlig zerstört und berühmte Kulturdenkmäler beschädigt.
Eine Spezialeinheit des spanischen Militärs ist in das nordafrikanische Land geflogen. 56 Mitglieder der Militärischen Nothilfe-Einheit UME hätten am Sonntag in Saragossa zusammen mit vier Suchhunden eine Transportmaschine vom Typ A400 bestiegen, teilte das spanische Verteidigungsministerium auf der vormals als Twitter bekannten Plattform X mit. Zuvor hatte das nordafrikanische Land eine formelle Bitte um Beistand an Spanien gerichtet, wie spanische Medien übereinstimmend berichteten.
Derweil stehen auch in Deutschland und anderen Ländern Hilfskräfte einsatzbereit. So hofft das Technische Hilfswerk (THW) auf eine rasche Entscheidung über einen möglichen Rettungseinsatz im Katastrophengebiet. Dem THW liege aber immer noch kein Hilfeersuchen Marokkos vor, sagte ein Sprecher am Sonntag der dpa. „Deshalb können wir nicht tätig werden.“
Das Beben ereignete sich um 23.11 Uhr Ortszeit
Die Lage sei noch sehr unübersichtlich, teilte das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit. „Fest steht aber, die Menschen in den Katastrophenregionen brauchen nun dringend humanitäre Hilfe“, sagte DRK-Generalsekretär Christian Reuter. Das Hilfswerk Action Medeor stand nach eigenen Angaben mit Partnerorganisationen in Kontakt.
Das Beben ereignete sich am späten Freitagabend um 23.11 Uhr Ortszeit und dauerte mehrere Sekunden. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 6,8, laut dem Helmholtz-Zentrum Potsdam 6,9. Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Dem USGS zufolge ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Erdbeben in einer solch geringen Tiefe sind laut Experten besonders gefährlich.
Mit der F.A.Z. sprachen zwei Augenzeugen aus Marrakesch: „Ich dachte erst, dass ein Flugzeug abstürzt“, sagte der 52 Jahre alte Reiseführer Hakim Lgssiar. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte eine andere Person: „In Marrakesch haben wir unglaubliche Schreckensmomente durchlebt. Aus Angst vor Nachbeben haben wir die Nacht lieber im Freien verbracht, als nach Hause zurückzukehren“, sagte er. Kurz nach dem ersten Beben kam es tatsächlich zu einem Nachbeben der Stärke 4,9.
Auf Bildern und Videos in sozialen Netzwerken waren Trümmerhaufen, zerstörte Gebäude und beschädigte Teile der berühmten roten Mauern zu sehen, die die Altstadt von Marrakesch umgeben, ein UNESCO-Weltkulturerbe. Andere Videos zeigten schreiende Menschen, die Restaurants in der Stadt verließen. „Alle hier sind geschockt“, sagte ein Augenzeuge aus dem Bergdorf Mulay Brahim der dpa, einer Region, die besonders schwer vom Beben getroffen wurde. „Wir arbeiten mit den einfachen Mitteln, die wir haben, um nach Toten und Überlebenden in den Trümmern zu suchen. Die Wahrheit über die Opferzahlen kennen wir nicht“, sagte er.