Frau Bundesministerin, Ihre Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten in Hessen wird überschattet von der Kritik an der Absetzung von Arne Schönbohm als Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Würden Sie heute anders vorgehen, wenn es um die gleiche Sache ginge?
Wir sind mit einem Krieg in Europa konfrontiert, der auch die Bedrohungslage für die Cybersicherheit enorm verändert hat. Es ging im Oktober 2022 um die Frage, ob ich noch das Vertrauen in die Führung des BSI habe. Das hatte ich nicht und musste daher handeln. Ich habe das BSI neu aufgestellt. Herr Schönbohm hat eine gleichwertige andere Funktion übertragen bekommen, wie das bei Beamten vorgesehen ist.
Der Eindruck entstand, dass sie auf Jan Böhmermanns Sendung „ZDF Magazin Royale„ reagierten. War das so glücklich?
Für den Vertrauensverlust gab es mehrere Gründe, wozu die damals von vielen Medien thematisierten Vorwürfe mit Russlandbezug zählten. In diesen Zeiten durfte es keinerlei Zweifel geben.
Sie haben die Vorwürfe als Wahlkampfmanöver kritisiert. Manche Ihrer Vorstöße wirken ähnlich: Messerverbot, Vorratsdatenspeicherung, Clan-Kriminalität, Begrenzung von Migration. Das waren neue Töne aus dem Mund einer SPD-Politikerin. Wollten Sie sich ein neues Image zulegen?
Das war schon immer meine klare Linie. Ich war zum Beispiel immer der Überzeugung, dass die Sicherheitsbehörden die notwendigen Befugnisse brauchen. Als Oppositionsführerin im hessischen Landtag habe ich meine Fraktion etwa bei der Vorratsdatenspeicherung davon überzeugt, als die SPD im Bund noch darüber stritt. Wir sehen einen Anstieg furchtbarster Kriminalität gegen Kinder, bei deren Aufklärung IP-Adressen eine zentrale Rolle spielen. Ich habe mich auch, als es um die Angriffe auf Polizisten im Dannenröder Forst ging, klar an die Seite der Polizei gestellt. Mich hat überrascht, welches Zerrbild teilweise von mir gezeichnet wurde, als ich Innenministerin in Berlin wurde. Ich war schon immer eine pragmatische Sozialdemokratin der Mitte.
Wie bewerten Sie die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die anlasslose Vorratsdatenspeicherung dem Europarecht widerspricht?
Entscheidend bleibt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Speicherung von IP-Adressen unter engen Vorgaben ausdrücklich erlaubt ist. Darauf nimmt auch das Bundesverwaltungsgericht Bezug.
Wie ist denn die Stimmung zwischen Ihnen und Justizminister Marco Buschmann von der FDP, der sich ausdrücklich gegen die Speicherung von IP-Adressen ausgesprochen hat?
Wir pflegen einen sehr engen und guten kollegialen Austausch. Das ist ein Punkt, wo wir unterschiedliche Perspektiven haben, aber wir bemühen uns um eine Lösung, die dem Datenschutz genauso gerecht wird wie meinem Anliegen in der Verbrechensbekämpfung.
Wie steht es um die Einigung?
Ich bin zuversichtlich, dass wir sie bald erzielen.
Bei der Migration entstand über Monate der Eindruck, Sie nähmen die Sorgen der Kommunen nicht ernst. Wieso hat es so lange gedauert, bis sich das änderte?
Ich habe das Thema direkt nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sehr ernst genommen und viel unternommen. Die Belastung der Bundesländer war sehr schnell sehr hoch. Teilweise sind am Tag 15.000 Ukrainer nach Deutschland gekommen. Das war eine große Herausforderung. Heute diskutieren wir die Migration in einer Schärfe, die vor einem Jahr, als eine Million Menschen zu uns kamen, nicht da war. Ich möchte der deutschen Bevölkerung übrigens nochmal mein Kompliment aussprechen. Viele Bürgerinnen und Bürger haben ukrainische Flüchtlinge bei sich zuhause aufgenommen, viele haben geholfen. Unser Land hat gezeigt, was Mitmenschlichkeit bedeutet.