Joe Biden war gerade auf dem Weg zu einer Veranstaltung in Maryland, als die Nachricht über seinen Sohn öffentlich wurde. Der Auftritt in Largo war eigentlich dazu gedacht, inmitten steigender Inflationsraten die Erfolge der demokratischen Wirtschaftspolitik herauszustellen. Doch die Schlagzeilen in den amerikanischen Medien lauteten anders: Einen Monat nach seiner Einsetzung durch das Justizministerium klagte Sonderermittler David Weiss Hunter Biden am Donnerstag wegen illegalen Waffenbesitzes und Falschangaben an. Joe Bidens Werben für die Demokraten? Trotz heftiger Kritik an der republikanischen Wirtschaftspolitik ein Randthema.
Das dürfte ein Vorgeschmack auf das nächste Jahr sein. Noch steht kein Datum für die Verhandlung fest, aber es ist wahrscheinlich, dass Hunter Biden der Prozess gemacht wird, während sein Vater sich in der heißen Phase der Präsidentenwahl befindet. Vor einigen Monaten noch hatte es so ausgesehen, als ließe sich dieses unangenehme Kapitel für die Biden-Familie vorher schließen.
Ein Deal mit der Staatsanwaltschaft sollte Hunter Biden vor einer Anklage wegen des Waffenkaufs zu Zeiten seiner Drogen- und Alkoholsucht 2018 bewahren. Dafür sollte er sich zweier Steuervergehen schuldig erklären. Doch die Vereinbarung scheiterte vor Gericht – und der Dreiundfünfzigjährige stand von Neuem im Fokus. Nun drohen ihm im Falle einer Verurteilung bis zu 25 Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von bis zu 750.000 Dollar. Auch wenn die Strafe bei einem Ersttäter, der die Waffe nicht für ein Verbrechen nutzte, in der Regel milder ausfällt.
Joe Biden schweigt zu dem Fall
In der Anklageschrift werden Hunter Biden drei Straftaten vorgeworfen: der illegale Besitz einer Waffe während einer Drogensucht, das Belügen eines Waffenhändlers und falsche Angaben im Antrag für den Waffenbesitz. Konkret geht es um einen Colt-Cobra-Revolver Kaliber 38, den Hunter Biden im Oktober 2018 in einem Waffengeschäft in Delaware erwarb. Entgegen einem Bundesgesetz verheimlichte er damals seine akute Drogen- und Alkoholsucht und gab auf dem Antrag sowie gegenüber dem Waffenhändler an, keine Drogen zu nehmen. Der Kauf war publik geworden, weil seine damalige Freundin die Waffe elf Tage später aus Sorge, er könne sich damit etwas antun, auf einem Supermarktparkplatz weggeworfen hatte.
Joe Biden äußert sich öffentlich nicht zu dem Fall, das Weiße Haus verweist bei Fragen auf das Justizministerium. Zu seinem Sohn heißt es vom Präsidenten und seiner Frau in der Regel nur, man sei stolz darauf, dass Hunter Biden sein Leben in den Griff bekommen habe, und unterstütze ihn auf seinem Weg. Doch für die Republikaner ist Hunter Biden abermals zum Reizwort im Präsidentenwahlkampf geworden. In dieser Woche erst wies der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, die zuständigen Ausschüsse an, parlamentarische Ermittlungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Joe Biden einzuleiten.
Dabei geht es nicht um die aktuelle Anklage wegen des Waffenkaufs, sondern den Vorwurf politischer Einflussnahme zugunsten der Auslandsgeschäfte seines Sohnes. Die Republikaner beziehen sich dabei auf die Zeit Hunter Bidens als Vorstandsmitglied des ukrainischen Gasunternehmens Burisma, während sein Vater als Vizepräsident für die Ukraine-Politik der Vereinigten Staaten zuständig war. Außerdem geht es um Geschäfte mit einer chinesischen Firma nach dem Ende der Obama-Biden-Regierung. Beweise für Vorteilsnahme gibt es bislang nicht, wohl aber Hinweise darauf, dass Hunter Biden den scheinbaren Zugang seiner Geschäftspartner zu Joe Biden zum eigenen Vorteil nutzte.
Der frühere Präsident Donald Trump ging nach der Nachricht über die Anklage am Donnerstag sogleich zum nächsten Angriff auf Joe Biden über. Der Waffenkauf sei „das einzige Verbrechen“, das Hunter Biden begangen habe, „das nicht den verlogenen Joe Biden beinhaltet“. Die Demokraten hätten mit den „schrecklichen, sehr unfairen und größtenteils illegalen Hexenjagden“ eine sehr gefährliche Entwicklung angestoßen – gemeint sind mutmaßlich die vier Strafprozesse gegen Trump. Er muss sich im nächsten Jahr unter anderem wegen versuchter Einmischung in die Präsidentenwahl und der unsachgemäßen Aufbewahrung von Geheimdokumenten vor Gericht verantworten.