Die meisten Menschen im Rentschler Field hatten längst zur wetterfesten Garderobe gegriffen, Julian Nagelsmann aber störte sich nicht am Regen in Hartford. In wehender Hemdjacke durchquerte er seine Coachingzone, immer in Aktion, um seinen Spielern noch etwas an die Hand zu geben, eine Position um ein paar Meter zu korrigieren. Es war nicht immer nötig, die deutsche Mannschaft zeigte im ersten Spiel unter dem neuen Bundestrainer eine klare Idee, aber Nagelsmann wäre nicht Nagelsmann, wenn er nicht immer etwas zu verbessern sähe.
Es war auch längst nicht so, dass alles nach Plan lief für die Fußball-Nationalmannschaft beim Testspiel gegen die Vereinigten Staaten an diesem Samstag, gerade in der ersten Hälfte zeigte sie sich in Umschaltsituationen bekannt anfällig im Kollektiv, und beim amerikanischen Führungstor durch Christian Puslisic in der 28. Minute auch individuell nur bedingt abwehrbereit – da wird Nagelsmann nacharbeiten müssen. Aber alles in allem, war es eine erste Arbeitsprobe, die sich wirklich sehen lassen konnte.
Ilkay Gündogan (39.), Niclas Füllkrug (59.), Jamal Musiala (61.) wendeten die Partie noch zugunsten von Nagelsmanns Team. Und weil das auf einem spielerisch ansehnlichen Fundament und der richtigen Einstellung stand, die zu einer rundum dominanten zweiten Hälfte führte, konnten die Deutschen die Hoffnung, dass damit auch insgesamt eine Wende zum Besseren eingeleitet ist, aus Hartford mit nach Philadelphia nehmen. Dort ist am Dienstag zum Abschluss der USA-Reise Mexiko der Gegner – dann zu nachtschlafender Zeit in Deutschland um 02.00 Uhr am frühen Mittwochmorgen.
Kimmich fliegt zurück nach Deutschland
Für einen eigentlich zentralen Spieler aus Nagelsmanns Team ist die Reise zu Ende, bevor sie überhaupt so richtig angefangen hat. Eine gute Stunde vor Anpfiff am Samstagnachmittag teilte der Deutsche Fußball-Bund mit, dass Joshua Kimmich wegen einer Erkältung beide Spiele verpassen und noch am Samstag zurück nach München fliegen würde. Nagelsmann berichtete von Schüttelfrost und Fieber.
Kimmichs Position im Zentrum neben Ilkay Gündogan bekam aber nicht etwa Leon Goretzka sondern Pascal Groß. Und schon nach wenigen Minuten ließ sich sagen: Ein Problem war das nicht für die Deutschen, im Gegenteil, Groß, der Spätberufene von Brighton & Hove Albion, trug einen guten Teil zu einem gut funktionierenden Zentrum bei. Defensiv aufmerksam, offensiv funktional – diese Mischung tat den Deutschen gut. Zum guten Eindruck der Anfangsphase trug auch Mats Hummels bei, der in der Innenverteidigung neben Antonio Rüdiger begann, die Qualitäten des Dortmunders in der Spieleröffnung ergaben eine produktive Kopplung an das defensive Mittelfeld mit Gündogan und Groß.
Interessantes tat sich auch eine Reihe weiter vorn, wo Nagelsmann tatsächlich Jamal Musiala und Florian Wirtz gemeinsam beginnen ließ. Über die an sich „sehr gute Idee“ hatte er zwar schon am Vorabend bei der Pressekonferenz gesprochen, da schien er aber noch unentschieden, ob der Zeitpunkt der Richtige sei. Es war noch nicht jederzeit funkensprühend, aber natürlich muss es ein Ziel jedes Trainers sein, diese beiden Spitzenkönner zusammen unterzubringen. In jedem Fall war Nagelsmanns Plan für dieses Spiel gut zu erkennen: Bei eigenem Ballbesitz sollten Räume für Musiala und Wirtz als Beschleuniger und Anbahner dadurch entstehen, dass die beiden Angreifer, Niclas Füllkrug und Leroy Sané, bis auf die Seitenlinien nach außen rückten.