Mit der Ausweitung der Bodeneinsätze des israelischen Militärs im Gazastreifen hat nach Angaben von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die zweite Phase des Krieges gegen die Hamas begonnen. Ziel sei es, die militärischen Fähigkeiten sowie die Herrschaft der Islamistenorganisation zu zerstören und die Geiseln nach Hause zurückzubringen, sagte er am Samstagabend vor Journalisten in Tel Aviv. Die Notstandsregierung habe die Entscheidung zur Ausweitung der Bodeneinsätze einstimmig getroffen.
Armeeangaben zufolge waren in der Nacht zum Samstag israelische Truppen in den Norden des Gazastreifens vorgedrungen. Die Bodentruppen sind demnach immer noch vor Ort. Beteiligt seien Infanterie, Panzertruppen, Ingenieurkorps und Artillerie, hieß es. Dem Militär zufolge sollen vermehrt unterirdische Ziele und terroristische Infrastruktur angegriffen werden. Das israelische Militär hatte zuvor bereits vereinzelte, zeitlich eng begrenzte Vorstöße am Boden gemacht.
„Je größer der Druck, desto größer die Chancen“
Die massiven Luftangriffe der vergangenen Wochen hätten der Hamas einen „schweren Schlag“ versetzt. „Allerdings stehen wir erst am Anfang“, betonte Netanjahu. Der Krieg werde „schwierig und langwierig“ sein. Die Hamas zu besiegen sei eine „existenzielle Herausforderung“ für Israel, sagte Netanjahu weiter. „Aber es betrifft die ganze westliche Welt.“
Er könne nicht sagen, ob Iran an der Planung des Angriffs der radikal-islamischen Hamas am 7. Oktober beteiligt war. Aber die islamische Republik gehöre zu den Finanzierern der Gruppierung. Netanjahu versicherte, trotz der derzeit laufenden Bodenoffensive im Gazastreifen würden die Kontakte zur Befreiung der von Hamas verschleppten Geiseln aufrecht erhalten.
Verteidigungsminister Joav Galant betonte bei der Pressekonferenz am Samstagabend, Israel habe kein Interesse an einer regionalen Ausweitung des Gaza-Kriegs. Das Land sei darauf aber vorbereitet. Die Geiseln zurückzubringen, sei eine komplexe Aufgabe, sagte er weiter. Je mehr militärischen Druck Israel ausübe, desto größer sei die Chance, diese Aufgabe zu erfüllen.
Israels Armee hat im Gazastreifen eigenen Angaben zufolge unterdessen mehrere Terrorzellen identifiziert und angegriffen. Die Gruppen hätten auch versucht, Raketen und Granaten abzufeuern, teilte das Militär am Samstag mit. Auch die Soldaten seien beschossen worden. Die Terrorzellen seien „neutralisiert“ worden. Unklar war zunächst, ob die extremistischen Palästinenser dabei getötet wurden.
Panzertruppen, Ingenieurkorps und Infanterie seien zusammen in Einsatz, hieß es weiter. Soldaten hätten dabei auch ein mit Sprengfallen versehenes Gebäude zerstört. Hubschrauber hätten, von Panzern geleitet, einen Treffpunkt der Hamas getroffen.
Armeeangaben zufolge waren in der Nacht zum Samstag israelische Truppen in den Norden des Gazastreifens vorgedrungen. Die Bodentruppen sind demnach immer noch vor Ort. Unter den israelischen Soldaten gebe es keine Opfer, hieß es weiter. Israels Armee habe mehrere ranghohe Kommandeure der islamistischen Hamas getötet. Dies ermögliche es den Bodentruppen, gegen einen geschwächten Feind zu kämpfen, wurde mitgeteilt.
Nach „harschen Äußerungen“ aus der Türkei hat Israel derweil seine diplomatischen Vertreter aus dem Land zurückrufen. Israel werde eine Neubewertung der Beziehungen zur Türkei vornehmen, schrieb Außenminister Eli Cohen am Samstag auf der Plattform X. Türkischen und israelischen Medienberichten zufolge haben die Botschafterin Irit Lillian und weitere Botschaftsmitarbeiter die Türkei bereits in der vergangenen Woche verlassen. Israel hatte zuvor auch seine Staatsbürger zum Verlassen der Türkei aufgefordert. Hintergrund war die Sorge vor Anschlägen angesichts des Gaza-Kriegs.
Erdogan: Israel ist „nur eine Schachfigur“
Die Türkei hatte in den vergangenen Wochen schon mehrfach scharfe Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen nach dem brutalen Massaker der Hamas am 7. Oktober in israelischen Grenzorten geäußert.
Am Samstag sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf einer pro-palästinensischen Demonstration in Istanbul, Israel sei nur „eine Schachfigur“ in der Region, die, „wenn der Tag kommt“, geopfert werde. Das Land begehe „Kriegsverbrechen“. Zugleich warf er „westlichen Regierungen“ vor, hauptsächlich für die „Massaker“ im Gazastreifen verantwortlich zu sein.
Zuvor hatte der türkische Staatschef die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas schon als „Freiheitskämpfer“ bezeichnet. Die USA, Europa und Israel stufen die Hamas als Terrororganisation ein, die Türkei nicht. Ankara unterhält Kontakte zur Hamas und bemüht sich nach eigenen Angaben um die Freilassung der Geiseln aus dem Gazastreifen.