Ich bin Diktatur-Forscherin, sagte die junge Frau in der Tafelrunde am Geburtstagsabend des Freundes. Das war die Aufforderung zum Tanz: endlich eine Gesprächspartnerin für ein ernsthaftes Thema, das sonst keinen in der Runde interessierte. Man teilt sie nach dem Härtegrad ein, stellten wir fest – die Diktaturen und die Autokratien. Es hat mit der Kochdauer zu tun, in der ein Gericht zubereitet wird. Wenig wissen wir von den Rezepten der Kannibalen . . . Je länger Menschen in einer Herrschaftsform schmoren, in der unbeschränkte Macht ihnen alle natürlichen Rechte entzieht, desto leichter lassen sie sich gesellschaftlich zubereiten, begehrt ist vor allem das Hirn. Und leicht verwursten die Nachbarn den Nachbarn, fiel mir ein.
Irgendwann graben sie, selbst in den Fleischwolf des mörderischen Systems geraten, mit bloßen Händen im Frostboden nach eßbaren Wurzeln (im GULag). Wühlen in den Hinterlassenschaften derer, die unter die Walze gerieten, sorgen für ihre restlose Verwertung (in Auschwitz). Sind bereit, ihresgleichen zu sortieren, ins Gas, in die Kälte, ins Feuer zu schicken, sogar dazu, die eigenen Anverwandten zu verraten, Eltern, Kranke, Leute auf einem absterbenden Ast.