Nach nicht einmal drei Minuten stand das Stadion Kopf. Und Patrick Mahomes, der wichtigste Spieler der Kansas City Chiefs, dem derzeitigen Champion der National Football League (NFL), war mittendrin. Der Ball hatte gerade erst seine Hand verlassen, da drehte sich Mahomes nach rechts, breitete die Arme aus, ballte die Fäuste. Er ahnte bereits, was nur Augenblicke später folgen sollte: Rashee Rice, der den Ball von Mahomes gefangen hatte, stürmte in die Endzone der Miami Dolphins: Touchdown.
Es war der erste in dieser Partie am Sonntagnachmittag im Frankfurter Stadion, und es sollte nicht der letzte bleiben. Im Gegenteil: Die zwei der derzeit stärksten Mannschaften der Liga lieferten sich beim ersten von zwei NFL-Gastspielen in Deutschland in diesem Jahr einen spannenden und zeitweise begeisternden Kampf um den Sieg. Am Ende gewann Kansas City verdient mit 21:14 und die Zehntausenden Fans der Chiefs, im Stadion des Fußball-Bundesligaklubs Eintracht Frankfurt zahlenmäßig und akustisch klar im Vorteil, setzten ihre Jubelgesänge bis weit nach dem Schlusspfiff fort.
Stadion wird zur großen Partyzone
Schon viereinhalb Stunden vor dem Anpfiff waren sie zu Tausenden in die Arena geströmt, die von der NFL im Zuge ihrer Internationalisierungsstrategie für zwei Saisonspiele außerhalb der USA genutzt wird, und hatten die angrenzenden Flächen in eine große Partyzone verwandelt. Zwar sahen sie nach dem ersten Touchdown der Chiefs einige eher zerfahrene Minuten ohne größere Höhepunkte, kurz vor der Halbzeit aber änderte sich das schlagartig.
Mahomes passte zu Jerick McKinnon, der es ein weiteres Mal in die Dolphins-Endzone schaffte, dann gelang der Defensive aus Kansas City ein genialer Schachzug, als sie den Ball aus Miamis Reihen zurückeroberte, Mike Edwards gedankenschnell zu Bryan Cook passte, der nach einem Sprint über mehr als das halbe Feld einen weiteren Touchdown erzielte und so für den überraschend deutlichen 21:0-Pausenstand sorgte. Spätestens da hielt es kaum einen der 50.000 Zuschauer, ob nun Chiefs-Fan oder einfach Football-Fan, mehr auf den Sitzen.
NFL-Chef Roger Goodell hatte die Begegnung im Vorfeld als „eine der ganz großen Partien“ dieser Saison angekündigt. Eine Partie, die die Footballwelt tatsächlich elektrisierte, wie in den Tagen zuvor auf den Straßen Frankfurts zu spüren gewesen war.
Mahomes und die Chiefs, die nach zwei Super-Bowl-Siegen in drei Jahren drauf und dran sind, das neue Dream Team der NFL zu werden, und die Dolphins, die mit ihrem 25 Jahre alten Spielmacher Tua Tagovailoa und Wide Receiver Tyreek Hill den bislang wohl aufregendsten Football der Liga spielen, ja das hatte durchaus Potential für ganz großen Sport. Das zeigte sich in den ersten drei Minuten nach dem Anpfiff, das zeigte sich in den letzten drei Minuten vor der Pause. Und das zeigte sich nach dem Wechsel.
Tagovailoa, unbeeindruckt vom deutlichen Zwischenstand und der Tatsache, dass die Verteidigung der Chiefs ihm zuvor kaum Räume gelassen hatte, fand nun mit einem präzisen Pass Cedrick Wilson, der die ersten Punkte für Miami erzielte. Anschluss. Alles wieder offen?
Einige Spielzüge später brachte Dolphins-Verteidiger Bradley Chubb Chiefs-Quarterback Mahomes zu Fall, der den Ball zudem nicht sichern konnte. Miami war unerwartet wieder am Zug, Runningback Raheem Mostert nach einem beeindruckenden Lauf kurz darauf in der Endzone. Jetzt jubelten auch jene Fans, die es mit den Dolphins hielten, lautstark mit. Alles wieder offen!
Miami ließ nicht nach. Mehrmals setzte Tagovailoa seinen Receiver Hill in Szene, der 2020 noch gemeinsam mit Kansas City den Super Bowl gewonnen hatte. Mahomes und die Chiefs schienen nach ihrer dominanten ersten Hälfte nun einigermaßen ratlos, wie sie ihren widererstarkten Gegner stoppen sollten. Das tat der in den knapp drei Minuten vor dem Schlusspfiff dann aber selbst.
Weil Tagovailoa erst Nerven zeigte und seinen Passempfänger Wilson um gute drei Meter verfehlte. Und ihm dann, beim alles entscheidenden letzten Versuch, der Ball durch die Finger rutschte. Wieder stand das Stadion Kopf. Die Spieler der Chiefs stürmten auf den Rasen, Mahomes mitten unter ihnen. Mit ausgebreiteten Armen und geballten Fäusten.