Herr Ministerpräsident, wie ich gerade sehe, verfolgen Sie live im Fernsehen, ob die Einigung zwischen Israel und der Hamas funktioniert. Müssen Sie nach Wochen, in denen Sie das federführend vermittelt haben, noch immer so eng dranbleiben an diesem Thema?
Glauben Sie mir, es sind intensive Tage und Wochen. Und der Zeitpunkt, an dem die Geiseln freigelassen werden sollen, ist immer besonders heikel. Sehen Sie mir also nach, wenn das Telefon klingelt, dann muss ich rangehen.
Sind Sie nach allen Erfahrungen, die Sie mit beiden Seiten in den vergangenen Wochen gemacht haben, optimistisch, dass die Feuerpause verlängert werden kann – und dass man vielleicht sogar zu einer Lösung kommt?
Es ist zumindest gelungen, eine positive Dynamik zu erzeugen, und das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich hoffe, dass wir jetzt darauf aufbauen können. Es gibt keinen Konflikt, der auf dem Schlachtfeld begann und dort auch endete. Am Ende stehen immer Einigungen und Abkommen. Es gab viele Emotionen und Wut am Anfang, auf beiden Seiten. Jetzt, wo Geiseln freigelassen werden und es Pausen bei den Kämpfen gibt, gelingt es uns vielleicht, eine Lösung zu finden. Ich glaube, was uns wirklich auszeichnet, ist die Beharrlichkeit, mit der wir es immer wieder versuchen. Wir geben nicht so schnell auf.
Denken Sie, dass die Hamas Teil einer solchen Lösung sein könnte, dass sie es überhaupt sein sollte?
Das ist jetzt noch sehr, sehr schwer zu sagen. Aber wissen Sie, letztendlich ist dieser Konflikt nicht neu. Was neu ist, ist der Angriff der Hamas, sein Ausmaß und seine Bedeutung. Und auch das Ausmaß der Zerstörung, die Israel im Gazastreifen angerichtet hat, die Zahl der Toten, die es dort gegeben hat. Das sind die neuen Faktoren, aber der Rest ist nicht neu. Das geht schon sehr lange so. Es weiß heute noch niemand, was genau die Definition des Endspiels sein soll. Das bestimmt Israel. Ich weiß nicht, was sie mit ihrer Erklärung bezwecken, die Hamas vernichten zu wollen. Man wird die Hamas nicht so einfach vernichten können. Ob wir mit ihr übereinstimmen oder nicht, sie ist Teil der Gesellschaft in Gaza und auch in der Westbank. Oder geht es darum, die Präsenz im Gazastreifen zu beenden? Das wäre eine dehnbare Definition.
Es ist doch eigentlich nicht vorstellbar, dass es für Israel nach den Massakern des 7. Oktobers akzeptabel ist, eine solche Organisation an seiner Grenze zu wissen. Über welche Szenarien kann man dann also reden? Eines wie 1982, als die PLO aus Libanon abzog?
Ich glaube, dass wir uns erst einmal darauf konzentrieren müssen, diesen Krieg zu beenden. Erst muss die Gewalt aufhören, und dann können wir über langfristige Lösungen nachdenken. Eines ist aber klar: Die Palästina-Frage kann nicht länger unter den Teppich gekehrt werden. Und darüber, wie eine Lösung aussehen soll, sollten die Palästinenser selbst entscheiden, nicht wir.
Wäre es nicht eigentlich jetzt an der Zeit, dass die Golfstaaten Verantwortung übernehmen? Die könnten den Präzedenzfall schaffen, eine arabische Lösung für Gaza zu erreichen. Nur scheint sich die Bereitschaft in Grenzen zu halten?
Wir waren uns in unseren Gesprächen im Golfkooperationsrat und in der Arabischen Liga völlig einig, dass unsere Priorität darin besteht, uns auf die Beendigung des Krieges zu konzentrieren. Das Einzige, das uns weiterbringt, ist eine dauerhafte Zwei-Staaten-Lösung nach den internationalen Resolutionen, die vor 50 Jahren verabschiedet wurden. Es ist an der Zeit, dass wir als Region unsere Pflicht tun – und dass Israel seine Pflicht erfüllt, um einen Frieden zu ermöglichen. Leider hat die israelische Regierung in den letzten Jahrzehnten jeden Versuch der Region oder der internationalen Gemeinschaft, einen Weg zu einer Zweistaatenlösung zu finden, abgelehnt.