Während Israels Armee die massiven Bombardements im Gazastreifen fortsetzt und die Zahl der zivilen Todesopfer stark steigt, haben sich die Aussichten auf eine neue Feuerpause verdüstert. Am frühen Sonntagmorgen heulten im Süden Israels wieder die Sirenen, wie die Armee mitteilte.
Ungeachtet von immer eindringlicheren Mahnungen seitens der US-Regierung an Israel, die Zivilisten in Gaza zu schützen, bombardierte Israel etliche Ziele im besonders dicht bevölkerten Süden des abgeriegelten Gebiets. Dort versuchen Hunderttausende aus dem Norden geflohene Palästinenser auf äußerst geringem Raum, den Beschüssen auszuweichen.
Netanjahu: Kämpfen bis zum „totalen Sieg“
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bekräftigte, man werde den Krieg gegen die islamistische Hamas „bis zum Ende“ und bis zum „totalen Sieg“ über die Terrororganisation fortsetzen, wie die „Times of Israel“ meldete. Er machte demnach am Samstagabend deutlich, dass ein Bodeneinsatz der einzige Weg sei, die Hamas zu zerstören. Während Bodentruppen bereits im Norden im Einsatz sind, führte die Armee am Samstag im Süden massive Schläge aus der Luft aus. Allein in der Gegend der Stadt Chan Junis wurden mehr als 50 Ziele bombardiert.
Immerhin gelangten am selben Tag 100 Lastwagen mit dringend benötigten Hilfslieferungen nach Angaben von Helfern in den Gazastreifen. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit Ende der Feuerpause bis Samstag rund 200 Menschen bei den Angriffen getötet. Seit Kriegsbeginn am 7. Oktober seien es schon mehr als 15.000 Tote. Die Zahlen waren unabhängig zunächst nicht zu überprüfen.
USA mahnen Israel
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin rief Israel eindringlich zum Schutz der Zivilisten auf. Dies sei nicht nur eine moralische Verantwortung, sondern auch ein strategisches Gebot, sagte Austin am Samstag (Ortszeit) bei einer Tagung im Bundesstaat Kalifornien. US-Vizepräsidentin Kamala Harris wurde am Rande der Klimakonferenz in Dubai noch deutlicher: „Zu viele unschuldige Palästinenser sind getötet worden. Offen gesagt, das Ausmaß des zivilen Leids und die Bilder und Videos aus dem Gazastreifen sind verheerend“, sagte sie.
Doch die Aussicht auf eine neue Feuerpause erscheint düster. Die Hamas will nach eigenen Angaben Verhandlungen über die Freilassung weiterer Geiseln erst nach Ende des Gaza-Kriegs fortsetzen. Saleh al-Aruri, ein Hamas-Anführer, sagte am Samstag, unter den verbliebenen Geiseln seien nur Männer, die in der Armee gedient hätten und Soldaten. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sagte dagegen, es seien noch 15 Frauen und zwei Kinder unter den Geiseln in der Gewalt der Hamas. Israel geht davon aus, dass insgesamt noch 137 Geiseln in dem Küstenstreifen festgehalten werden.
Israel: Verhandlungen über Feuerpause in Sackgasse
Die Verhandlungen in Katar über eine erneute Feuerpause stecken denn auch Israel zufolge in einer Sackgasse. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, habe deshalb sein Verhandlungsteam dazu aufgefordert, nach Israel zurückzukehren, teilte das Büro von Netanjahu am Samstag mit. Am Abend gab Großbritannien bekannt, Israel bei der Suche nach den Geiseln zu unterstützen. Man werde unbewaffnete Überwachungsflüge über dem östlichen Mittelmeer durchführen und dabei auch im Luftraum über Israel und Gaza operieren“, teilte die britische Regierung mit.
Wieder Raketenalarm in Tel Aviv
Derweil gab es in der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv wieder Raketenalarm. Im Zentrum der Stadt waren mehrere dumpfe Explosionen zu hören. Die Hamas bekannte sich zu den Angriffen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stellte denn auch Israels Ziel einer kompletten Vernichtung der Hamas in Frage. „Die vollständige Vernichtung der Hamas, was ist das? Glaubt irgendjemand, dass das möglich ist? Wenn das so ist, wird der Krieg zehn Jahre dauern“, sagte Macron am Samstag in Dubai. Er kritisierte auch die Fortsetzung des Bombardements im Gazastreifen: „Der richtige Kampf gegen den Terrorismus ist nicht die systematische und permanente Bombardierung.“ Er forderte erneut eine sofortige Feuerpause.
Israel will Pufferzone an Grenze zu Gaza
Israel will nach dem Gaza-Krieg eine Pufferzone im Grenzgebiet zum Gazastreifen einrichten. „Israel wird eine Sicherheitshülle brauchen“, sagte der Sicherheitsberater der israelischen Regierung, Mark Regev, am Samstag in Tel Aviv. „Es wird keine Situation mehr geben, in der sich Hamas-Leute an der Grenze aufhalten, die sie überqueren und unsere Zivilisten töten können.“ Er nannte keine Details zu der geplanten Sicherheitszone. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass diese auf Kosten des Gazastreifens gehen dürfte.
Auslöser des jüngsten Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen aus dem Gazastreifen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze begangen hatten. Dabei wurden mehr als 1200 Menschen getötet und rund 240 Geiseln nach Gaza verschleppt. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen, einer Blockade des Küstengebiets und begann Ende Oktober mit einer Bodenoffensive.
Was am Sonntag wichtig wird
Die humanitäre Lage im Gazastreifens wird immer prekärer. Die Hamas hat zu weltweiten Solidaritäts-Demonstrationen aufgerufen.