Für einen Minister ist es sehr verführerisch, das Mittel der Staatsschulden zu benutzen, das ihn in den Stand setzt, während seiner Verwaltung den großen Mann zu spielen, ohne das Volk mit Steuern zu überladen oder eine sofortige Unzufriedenheit gegen sich zu erregen. Die Praxis des Schuldenmachens wird daher fast unfehlbar von jeder Regierung missbraucht werden. Es würde kaum geringere Klugheit offenbaren, einem verschwenderischen Sohne bei jedem Bankgeschäft Kredit zu geben, als einen Staatsmann zu ermächtigen, in einer derartigen Weise Wechsel auf die Nachkommen zu geben.“
Man könnte meinen, hier urteile jemand über die Minister der heutigen Ampelregierung, wüsste man nicht, dass die Aussage aus dem Jahr 1741 von dem schottischen Aufklärer David Hume stammt. Die Ampel ist angetreten, den „großen Mann“ (sagen wir korrekt: Mann und Frau) zu spielen, die Ausgaben für Soziales, Verteidigung und Klima-Transformation zu erhöhen und die Finanzierung uns Bürgern zu ersparen. Stattdessen macht man Schulden.
Hätte es den zum Klimafonds umgewidmeten 60-Milliarden-Corona-Fonds nicht gegeben, hätte der CO2-Preis an den Tankstellen deutlich stärker und schneller steigen müssen als jetzt. Das hätte den Bürgern gezeigt, dass es nicht nur klimagemäß, sondern auch finanziell geboten ist, das fossil betriebene Auto zu verschrotten, sich ein Fahrrad und E-Auto anzuschaffen und häufiger mit der (unpünktlichen) Bahn zu fahren. Das wiederum hätte, um mit Hume zu reden, bei den Bürgern „sofortige Unzufriedenheit“ erregt und womöglich der AfD noch mehr Stimmen zugeführt als ohnehin schon.
Eine uralte Idee
Weil Minister viele Anreize haben, die „fiskalische Allmende“ zu übernutzen, ließ das deutsche Parlament im Jahr 2011 mit einer Zweidrittelmehrheit die Schuldenbremse in das Grundgesetz schreiben. Diese besagt: In der Regel soll der Staat keine Schulden machen, sondern mit seinen Steuern auskommen. Doch ist die Bremse nicht so starr, wie jetzt viele behaupten: Die Regierung darf im konjunkturellen Abschwung bis zu einem gewissen Grad Defizite hinnehmen, wie sie umgekehrt in einer Hochkonjunktur Überschüsse durch unerwartete Steuereinnahmen erhält. Beide Effekte sind gegenläufig und stabilisieren so die Konjunktur; sie wirken als sogenannte „automatische Stabilisatoren“. Zudem sind jährliche Neukredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erlaubt.
Die Idee ist uralt. Als ihr Erfinder darf der Dichter Homer aus dem achten Jahrhundert vor Christus gelten. Im 12. Gesang der Odyssee muss das Schiff des Odysseus zwischen Skylla und Charybdis hindurch navigieren. Dort befinden sich Sirenen, Fabelwesen, die durch ihren betörenden Gesang Schiffer anlocken, um sie zu töten. Weil Odysseus dies weiß und seine Verführbarkeit kennt, weist er seine Besatzung an, ihn zu binden, „damit ich kein Glied zu regen vermöge, aufrecht stehend am Maste, mit festumschlungenen Seilen.“
Vorsichtshalber fügt er hinzu: „Fleh ich euch aber an, und befehle die Seile zu lösen, eilend fesselt mich dann mit mehreren Seilen noch stärker.“ So kommt es dann auch: Als Odysseus die betörenden Sirenen hört, erfüllt ihn „heißes Verlangen“. Er befiehlt den Freunden, seine Bande zu lösen – „doch hurtiger ruderten diese.“ Das ist die Rettung des Odysseus und seiner Mannschaft.