Nach dem bisherigen Höhepunkt seiner Fußball-Karriere hielt Nader El-Jindaoui Töchterchen Imani auf dem Arm, als er überglücklich über den Rasen des Olympiastadions schlenderte. „Ich habe es immer noch nicht realisiert. Ich brauche erst mal ein paar Stunden, vielleicht eine Nacht. Das ist unglaublich. Ich habe mein ganzes Leben lang dafür gekämpft“, sagte der Debütant von Hertha BSC nach dem Sieg im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen den Hamburger SV (5:3 i.E.).
Mit 27 Jahren gab der Offensivspieler, der mit Millionen Followern im Internet ein Star ist, seine Profi-Premiere für die Hertha. „Am Ende des Tages war es Fußball. Ich spiele mein Leben lang Fußball. Auch wenn manche gerne sagen, dass ich Influencer bin. Aber ich bin Fußballer – und teile ein bisschen mein Leben“, sagte El-Jindaoui: „Aber wenn du mich googlest, steht da Fußballer. Und so fühle ich mich auch.“
El-Jindaoui war im Sommer des Vorjahres vom Berliner AK zu Hertha gekommen und zunächst für die zweite Mannschaft in der Regionalliga Nordost vorgesehen. Dort kam er in der laufenden Saison in bislang 13 Einsätzen auf zwei Tore und drei Vorlagen. Bekannt wurde El-Jindaoui unter anderem mit Videos auf der Plattform Youtube, wo 1,75 Millionen Menschen seinen Kanal abonniert haben. Auf Instagram kommt er auf zwei Millionen und auf TikTok auf 2,6 Millionen Follower.
Dardai lobt El-Jindaoui
Gegen den HSV wurde El-Jindaoui in der 80. Minute eingewechselt, leitete das 3:3 durch Jonjoe Kenny in der 120. Minute ein und verwandelte im Elfmeterschießen sicher vom Punkt. „Ich wollte erstmal gucken, wer schießt und wer schießen will. Und dann wollte nicht jeder. Und dann habe ich gesagt: ,Warum nicht? Ich schieße.’ Am Ende ist es nur Fußball. Natürlich ist es höherer Druck, aber am Ende ist es nur Fußball“, sagte er.
Schon am vergangenen Sonntag hatte der gebürtige Berliner beim 5:1 gegen die SV Elversberg erstmals im Liga-Kader gestanden und 90 Minuten auf der Bank gesessen. Seit sechs Wochen trainiert er bei den Profis und profitiert von einigen Verletzten in Herthas Offensive, wobei sich El-Jindaoui auch nach deren Rückkehr weiterhin zeigen will: „Ich bin noch nicht fertig. Ich will Gas geben, der Mannschaft helfen.“
Hertha-Trainer Pal Dardai beeindruckte besonders El-Jindaouis Mut im Elfmeterschießen. „Hände hoch, wer sagt, dass der keine Eier hat. Den Ball hat er einfach reingejagt. Das war top. Respekt dafür“, so der Ungar, der den schnellen Dribbler weiter lobte: „Wenn er bei uns trainiert, trainiert er für sein Leben. Er gibt Einsatz. Das habe ich honoriert.“ Während Dardai bekundete, gern weiter mit El-Jindaoui arbeiten zu wollen, wies er auch darauf hin, dass jener „nicht den Platz von einem jungen Spieler wegnehmen“ dürfe.
Beim Hamburger SV war nach dem dramatischen Pokal-Aus die Ernüchterung derweil groß. „Ich kann das nicht erklären. Das darf einer Spitzenmannschaft einfach nicht passieren“, sagte Mittelfeldspieler Jonas Meffert nach dem 3:5 im Elfmeterschießen. „Ich weiß nicht, wie wir es hier nicht geschafft haben zu gewinnen.“ Zweimal sahen die Hamburger aus wie der sichere Sieger, zweimal glich die Hertha spät aus. „Es tut sehr weh“, sagte der 29-Jährige.
Trainer Tim Walter war pragmatischer. „In einer Situation nicht so konsequent gewesen, wie die halbe Stunde zuvor. Dann passiert das eben“, sagte der 48-Jährige über das 3:3 von Jonjoe Kenny. „Im Elfmeterschießen ist der Fußball ein Vabanquespiel. Das haben wir heute erleben müssen.“ Die Art und Weise, wie sein Team spielte, habe ihm aber Mut gemacht, sagte er. „Aber wir müssen uns mehr belohnen.“ Der Tabellendritte der zweiten Liga kann sich nun auf den Aufstiegskampf konzentrieren. Am Samstag empfängt der HSV den SC Paderborn (13.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur zweiten Liga und bei Sky).