Die Mitgliederbefragung bei der FDP hat ergeben: Fast jedes zweite Parteimitglied möchte raus aus der Ampel. Bei den letzten Landtagswahlen hat sich außerdem gezeigt, dass Ihnen auch die Wähler weglaufen. Wie wollen Sie das stoppen?
Ich sehe keinen Grund zum Alarmismus, denn weder die Mitglieder noch die Wähler laufen uns weg. In der letzten Wahlperiode lag die FDP ein Jahr vor der Bundestagswahl bei vier Prozent. Trotzdem waren wir ein Jahr später zweistellig. Außerdem muss ich Sie korrigieren: Bei der Mitgliederbefragung haben gerade mal knapp 19 Prozent der Abstimmungsberechtigten für einen Ausstieg gestimmt.
Schaut man auf die abgegebenen Stimmen, will nur eine knappe Mehrheit in der Koalition bleiben.
Die Befragung hat eine absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen für die Fortsetzung unserer Regierungsarbeit ergeben. Das ist das Ergebnis und für mich entscheidend. Abgesehen davon ist es ja grundsätzlich so, dass Unzufriedenheit stärker mobilisiert als Zuspruch zu etwas. Das Ergebnis der Befragung ist ja trotzdem eindeutig. Und: Wir als FDP können sehr stolz sein auf diese Mitgliederbefragung, weil uns bei allen Unterschieden ein Ziel eint: Wir wollen eine erfolgreiche FDP, welche die Probleme in diesem Land löst. Niemand hat je behauptet, dass die Ampel die Lieblingskoalition der FDP ist. Auch diejenigen, die in der Regierung bleiben wollen, wollen das nicht, weil sie die Ampel lieben, sondern weil sie Verantwortung übernehmen wollen.
Was muss geschehen, damit die FDP wieder attraktiver wird?
Wir müssen noch deutlicher machen, dass die FDP die Probleme und Herausforderungen, die wir in diesem Land haben, angeht. So muss die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands dringend gestärkt werden. Andere Industrienationen sind besser aus der Krise gekommen als wir. Deutschland muss attraktiv werden für private Investitionen, beispielsweise durch langfristig niedrigere Energiepreise und steuerliche Erleichterungen. Das Wachstumschancengesetz würde hier einen wichtigen Impuls liefern, wird derzeit aber von den Bundesländern blockiert. Außerdem müssen beim Megathema Migration konkrete Lösungen erreicht werden, denn die Menschen sorgen sich.
Wie wollen Sie den Menschen ihre Sorgen nehmen?
Die allermeisten Bürgerinnen und Bürger bei uns im Land sind weltoffen und tolerant, aber sie wollen wissen, wer zu uns kommt. Und sie wollen, dass Migration nach rechtsstaatlichen Regeln erfolgt. Die Politik muss bei Steuerung, Kontrolle und Begrenzung konkrete Ergebnisse erzielen. Wir sollten das Thema pragmatisch anpacken so wie Neuseeland, Kanada oder Australien.
Die wählen Migranten nach Nützlichkeit aus.
Diese Länder praktizieren eine interessengeleitete Migrationspolitik. Sie sagen ganz klar, wen sie wollen und wen sie nicht wollen. Migration in den Arbeitsmarkt ist gewünscht, nicht aber in die sozialen Sicherungssysteme. Das macht diese Länder erfolgreich. Das muss Deutschland auch hinbekommen.
Sollten Aufnahmeverfahren für Asylbewerber nach Afrika verlegt werden, wie das die britische Regierung will?
Ich halte sehr viel von solch einem Modell. Einige haben diesbezüglich rechtliche Bedenken, die aber ausgeräumt werden können. Nehmen wir zum Beispiel Ruanda. Übernimmt Ruanda die Federführung bei den Asylverfahren, dann ist das nicht haltbar.
Deshalb hat der Supreme Court im Fall von Großbritannien ja auch Stopp gesagt.
Richtig. Wenn aber zum Beispiel das UN-Flüchtlingshilfswerk die Kontrolle übernähme, dann ist die rechtliche Bewertung eine andere. Ich sehe hier Potential, denn wenn pragmatische und gleichzeitig humanitäre Lösungen ausbleiben, breitet sich das Gefühl der Überforderung aus. Dann profitieren andere, die an echten Lösungen gar nicht interessiert sind.
Sie meinen die AfD?