Seine erste Auslandsreise hat der französische Außenminister Stéphane Séjourné der Ukraine vorbehalten. „Die Ukraine ist und bleibt die Priorität Frankreichs“, sagte der 38-jährige Außenamtschef nach einem Gespräch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag in Kiew.
Der symbolische Antrittsbesuch in dem kriegsgeprüften Land war wohl auch als Antwort auf die Kritik von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an der französischen Militärhilfe gedacht. „Die bisher von der Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten geplanten Waffenlieferungen für die Ukraine sind zu gering“, hatte Scholz beklagt. „Ich rufe deshalb die Verbündeten in der Europäischen Union auf, ihre Anstrengungen zugunsten der Ukraine ebenfalls zu verstärken“, so der Bundeskanzler.
Séjourné betonte bei seinem Besuch die „dauerhafte Unterstützung“ Frankreichs für die Ukraine. „Russland hofft, dass die Ukraine und ihre Unterstützer müde werden. Wir werden nicht nachlassen. Unsere Entschlossenheit ist ungebrochen“, sagte er. Am Sonntag wollte er mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Berlin zusammenkommen. Bislang war es Tradition gewesen, dass der erste Auslandsbesuch eines französischen Außenministers Deutschland gilt. Séjourné betonte die Bedeutung des Weimarer Dreiecks, das er nach dem Machtwechsel in Warschau wiederbeleben will. Seinen Besuch in Berlin kündigte er als Etappe vor Gesprächen in Warschau an diesem Montag an.
Nur wenige Stunden nach einem russischen Angriff
In der verschneiten ukrainischen Hauptstadt gedachte der Franzose auf dem St.-Michael-Platz, wo die Porträts der Gefallenen aufgestellt sind, der seit Kriegsbeginn getöteten Soldaten. Er traf nur wenige Stunden nach dem Ende eines nächtlichen russischen Angriffs ein. Frankreich zählt inzwischen zu den treibenden Kräften einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine. Séjourné führte in Kiew Gespräche mit Außenminister Dmytro Kuleba sowie mit dem Premierminister des Landes Denys Chmyhal und der stellvertretenden Premierministerin für europäische und euroatlantische Integration Olga Stefanishyna. Die Reise war noch von Séjournés Vorgängerin Catherine Colonna organisiert worden.
„Es wird Sie nicht überraschen, dass der Aufstieg Europas zur Macht meine Priorität sein wird“, sagte der neue Minister für Europa und auswärtige Angelegenheiten bei der Amtsübergabe in Paris am Freitag. Séjourné ist kein Berufsdiplomat und hat zuvor die liberale Fraktion Renew Europe im EU-Parlament geleitet.
Er sicherte den Gesprächspartnern in Kiew zu, dass er darauf hinwirken werde, dass das bislang blockierte EU-Hilfspaket von 50 Milliarden Euro freigegeben werde. Frankreich werde „sein ganzes Gewicht“ in die Waagschale werfen, damit die Ukraine beim EU-Gipfel Anfang Februar die Hilfsmittel erhalte. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán war zuletzt beim Staatsakt für den verstorbenen Jacques Delors in Paris und erörterte die Frage am Rande eines Mittagessens im Élysée-Palast mit Präsident Macron.
Keine konkreten Ansagen
Séjourné machte keine konkreten militärischen Hilfszusagen. Frankreich habe seit Kriegsbeginn Artillerie und Luftabwehrsysteme zur Verfügung gestellt, deren Wartung schnell und in geografischer Nähe erfolge. Der Außenminister kündigte eine „neue Phase der Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich“ an. Ziel sei es, die ukrainische Fähigkeit zu stärken, die benötigten Waffen im eigenen Land zu produzieren. Präsident Selenskyj teilte mit, sie hätten sich über eine „gemeinsame Produktion von Drohnen, Artillerie, weitere Verstärkung der Luftabwehr“ ausgetauscht.
Frankreich hat die Zahlen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft wiederholt kritisiert. Das IfW erfasse nur Zusagen, aber überprüfe nicht die tatsächliche Zurverfügungstellung und Einsatzfähigkeit, die einen kontinuierlichen Wartungsaufwand erfordere, heißt es in Paris. Außerdem seien wichtige Militärhilfen im Bereich Aufklärung schlicht nicht in Zahlen erfassbar. Der Verteidigungsausschuss der Nationalversammlung hat im November 2023 einen Bericht vorgelegt, wonach sich die Militärhilfe Frankreichs für die Ukraine bislang auf 3,2 Milliarden Euro belaufen hat.