Die Stimmen waren eher gedämpft, aber es waren dennoch dröhnende Worte, die am späten Samstagabend in der Kölner Arena zu hören waren. Für Timo Kastening war es „absoluter Kamikaze-Handball“, Kai Häfner sprach von einer „Komplettkatastrophe“. Und auch, wenn man der Vollständigkeit halber erwähnen muss, dass sich beide jeweils nur auf Teile des deutschen Spiels gegen Österreich bezogen, ergab das eigentlich den Sound einer schweren Niederlage. Dazu passten auch die Bilder von Augenblick der Schlusssirene, als die deutschen Spieler in sich zusammengesunken waren, während die österreichischen vor Freude umhersprangen.
Tatsächlich war es ein bisschen komplizierter, nicht nur, weil es gar keinen Sieger gegeben hatte in diesem zweiten Hauptrundenspiel der Europameisterschaft, 22:22 hieß es nach 60 Minuten. Sondern auch, weil die Deutschen in der zweiten Hälfte schon mit fünf Toren zurückgelegen hatten (16:21, 48.), und weil sie dann mit 21:22 und nach einer Zeitstrafe gegen Johannes Golla in Unterzahl in die letzten beiden Minuten gingen. Mit anderen Worten: Es hätte alles noch schlimmer kommen können. Die Mannschaft von Alfred Gislason hatte den Abgrund vor Augen, fand aber noch einmal ein wenig Halt, in letzter Instanz dank des wuchtigen Wurfes von Christoph Steinert zum 22:22. Zum Schluss wäre sogar noch ein Sieg möglich gewesen, nachdem die Österreicher ihrerseits ihre Chance auf einen finalen Treffer vergeben hatten, aber das wäre „unfair“ gewesen, wie Gislason nüchtern sagte.
Rechnerisch bedeutet das Remis gegen den Nachbarn, dass die Deutschen den Weg ins Halbfinale nicht mehr in der eigenen Hand haben. Obwohl im besten Fall sogar ein Sieg aus den letzten beiden Spielen reichen könnte, lautet die realistische Hochrechnung so: Nur eine österreichische Niederlage und zwei eigene Siege öffnen die Tür zur Endrunde noch. Und auch wenn es gute Gründe gibt, auf Ersteres zu hoffen, schließlich spielen die Österreicher als nächstes gegen die französischen Ausnahmekönner, müssen sie es selbst erst einmal schaffen, am Montag gegen Ungarn und dann am Mittwoch gegen Kroatien zu gewinnen.
Und das rückte selbst der Bundestrainer ins Konditional. „Wenn wir weiter so im Angriff spielen, werden wir nicht gegen Ungarn und Kroatien gewinnen“, sagte Gislason, „das ist so.“ Vom Auftritt gegen Österreich blieb jedenfalls der verstörende Eindruck einer Mannschaft, die um Orientierung ringt. Kapitän Golla sagte: „Man muss ganz klar sagen, dass das auf dem Niveau und mit den Zielen, die wir ausgeben, nicht gut genug ist.“
Woran liegt der Abwärtstrend?
Wenn man es positiv sehen wollte, konnte man zwar sagen, dass die Deutschen vor allem aufgrund ihrer miserablen Wurfquote (49 Prozent) und dabei nicht unwesentlich am österreichischen Torwart Constantin Möstl abgeprallt waren, der 17 Bälle hielt. Am deutlichsten vertrat diese Sichtweise Juri Knorr. „Im Endeffekt sind wir an unseren freien Chancen gescheitert, aber das bedeutet nicht, dass wir schlechten Handball gespielt haben“, sagte er. Das war allerdings schon eine sehr optimistische Sicht der Dinge. Wenn man auf die Entwicklung bei diesem Turnier schaut, ist vielmehr ein Abwärtstrend unübersehbar, der sich schon beim knappen Sieg gegen Island abgezeichnet hatte und gegen Österreich phasenweise dramatisch anmutete. Und die Frage ist, woran das liegt.