Die Hafenbehörde ist das markanteste Bauwerk im Antwerpener Hafen. Früher war es eine Feuerwache, jetzt thront auf dem Backsteinbau ein futuristisches Gebilde aus Stahl und gläsernen Dreiecken, das einem Diamanten ähnelt. Die Stararchitektin Zaha Hadid spielte damit auf die andere Quelle des Reichtums der Stadt an, den Handel mit Diamanten.
Allerdings sind die Umsätze des Hafens heute um ein Vielfaches höher, sie betragen 20 Milliarden Euro im Jahr. Aus dem Diamanten hat man den besten Blick auf den zweitgrößten Hafen Europas, der so groß ist wie 20.000 Fußballfelder. Schiffe auf der Schelde, Hafenbecken mit Terminals, Ladekränen und riesigen Containerstapeln – aus der Ferne wirkt das wie eine Miniaturwelt mit bunten Legosteinen.
Beeindruckend fand diesen Anblick auch Ylva Johansson, als sie am Mittwoch in der Hafenbehörde stand, umgeben von Ministern und den Betreibern vieler europäischer Häfen. Man treffe sich allerdings nicht wegen dessen, was von dort zu sehen sei, sagte die EU-Innenkommissarin, „sondern wegen dessen, was wir nicht sehen können: das Rauschgift, das so beständig nach Europa fließt wie der Fluss ins Meer“.
Es kommt mit den Containern an, meistens aus Südamerika. Antwerpen und Rotterdam sind die beliebtesten Anlandepunkte krimineller Banden, aber auch in Hamburg, Le Havre oder im spanischen Algeciras werden immer größere Mengen gefunden. Rund 500 Tonnen Rauschgift waren es allein 2022, davon mehr als die Hälfte Kokain. Trotzdem wurde im Handel mit den Endverbrauchern nichts über Engpässe bekannt, die Preise blieben stabil.
Wer dieses illegale Milliardengeschäft eindämmen will, muss die Kontrollen in den Häfen verbessern. Dazu haben die Kommissarin, mehrere EU-Innenminister und die Chefs von 16 Hafenbehörden am Mittwoch die Europäische Hafenallianz gegründet. Die Hafenbetreiber und nationale Strafverfolgungsbehörden sollen enger zusammenarbeiten und gemeinsame Risikokriterien erarbeiten, die darüber entscheiden, welche Container gecheckt werden. Die EU-Kommission will rund 200 Millionen Euro einsetzen, um moderne Scanner dafür zu finanzieren. Es soll auch einen viel engeren, von Brüssel koordinierten Austausch über Schwachstellen und kriminelle Praktiken geben, von der Bestechung des Hafenpersonals bis zur Exfiltration von Containern.
Johansson verglich den Kampf gegen die kriminellen Banden mit einem der ersten Computerspiele, „Whac-A-Mole“. Da mussten die Spieler Maulwürfe jagen, die aus immer neuen Löchern ploppten. Die Löcher, das sind in diesem Fall die Häfen an den europäischen Küsten. „Erfolge gegen Verbrecher an einem Ort allein werden nur dazu führen, dass sie sich andere Häfen suchen“, sagte die Schwedin. Man habe das schon beobachtet, nachdem Europas größter Hafen Rotterdam seinen Kampf gegen Kokainschmuggel verschärfte – die Banden wichen ins benachbarte Antwerpen aus. Jetzt, da auch dort mehr getan wird, gebe es eine echte Gefahr, dass sie auf kleinere Häfen auswichen, etwa Helsingborg in Schweden oder Sines in Portugal. Deshalb sei es notwendig, zusammenzuarbeiten und das Netz enger zusammenzuziehen.