Wenigstens wird es dieses Mal keine Diskussionen geben. Ums Juryvoting nämlich. Denn allzu oft sind sich Juroren und Zuschauer alles andere als einig. Im vergangenen Jahr etwa gewann die Schwedin Loreen mit ihrem Lied „Tattoo“ den Eurovision Song Contest (ESC) nur, weil die Jurys sie vorne sahen. Das Publikum aber stimmte mit großer Mehrheit für die verrückte „Cha Cha Cha“-Nummer des Finnen Käärijä. Wäre also ein reines Televoting nicht besser? Ehrlicher? Das Publikum weiß es doch eh am besten. Und sollte darum auch nicht nur das letzte, sondern das einzige Wort beim ESC haben.
Beim deutschen Vorentscheid am Freitagabend waren sich Juroren und Zuschauer ausnahmsweise einmal einig: Für Deutschland fährt Isaak mit seinem Lied „Always On The Run“ im Mai nach Malmö in Schweden. Wie schon im vergangenen Jahr hatte der NDR sich für ein geteiltes Voting entschieden. Nachdem alle neun Kandidaten gesungen hatten, wurde erst das Ergebnis der internationalen Jurys aus der Schweiz, Kroatien, Spanien, Litauen, dem Vereinigten Königreich, Island, Österreich und Schweden bekanntgegeben. Schon da führte Isaak klar nach Punkten. Und er blieb auch nach dem Televoting ganz vorne, weil die Zuschauer ihm ebenfalls die höchste Punktzahl gaben.
Das war durchaus nicht zu erwarten. Vor allem einer wurde als Favorit gehandelt, der 34 Jahre alte Ryk mit seinem Lied „Oh Boy“. Tatsächlich hatten viele auf Rick Jurthe gesetzt und auch gewettet. Denn genau das wird auch schon 80 Tage vor dem ESC-Finale getan. Die Wettbüros sahen dabei am Freitag die üblichen Verdächtigen weit vorne, die Ukraine, Italien, Israel und selbstverständlich auch Schweden, obwohl das Land, das schon sieben Mal gewonnen hat, in diesem Jahr noch nicht einmal einen Teilnehmer hat. Der mehrwöchige schwedische Vorentscheid, das Melodifestivalen, läuft noch. Auch Deutschland bekam dank Ryk in den Stunden vor seinem Auftritt Vorschusslorbeeren: Knapp 60 Prozent glaubten schon hier an seinen Sieg, was ihn international bei den Wettquoten auf den achten Rang katapultierte. Wenn er denn in Malmö angetreten wäre.
Straßenmusikant, der sich zu Musik bewegt
Darauf hoffte auch ein weiterer Geheimfavorit: Max Mutzke, der 2004 mit Stefan Raab beim ESC in Istanbul einen aus heutiger Sicht hervorragenden achten Platz mit seinem Lied „Can’t Wait Until Tonight“ belegte – damals für Mutzke und Raab eine herbe Enttäuschung. Mutzke kam beim Vorentscheid in Berlin am Ende auf den zweiten Platz, Ryk wurde dritter. Klar gewonnen aber hat der 28 Jahre alte Isaak Guderian, der es vom Straßenmusikanten über die Castingshow „X Faktor“ zum wegen Corona digital ausgerichteten Talentwettbewerb „Show your Talent“ schaffte, den er 2021 gewann. Nun also ESC. Eine Voraussetzung zumindest bringt er mit: Er kann singen. Doch das reicht, wie Deutschland wieder und wieder schmerzhaft erfahren musste, schon lange nicht mehr.