Der jüngste Waldzustandsbericht belegt, was Experten schon länger befürchten: Kaum ein Baum im Frankfurter Stadtwald ist völlig gesund. 98,5 Prozent der Gehölze gelten laut Bericht für das Jahr 2023 als geschädigt. 76 Prozent sind durch Hitze und Trockenheit sogar so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass Tina Baumann, Leiterin des Frankfurter Stadtforsts, kaum noch mit deren Erholung rechnet. „Das ist ein sehr, sehr schlechtes Ergebnis“, sagt Baumann. Nur im Jahr 2020 war es noch schlimmer. Insgesamt zeigen die Waldzustandsberichte, dass sich seit dem Extremsommer 2018 der Zustand des Stadtwaldes dramatisch verschlechtert hat. Vor allem der Zustand der alten Bäume, die mehr als 60 Jahre alt sind, wird von Jahr zu Jahr schlechter.
Baumann ist auch deshalb besorgt, weil die drei Hauptbaumarten alle gleichermaßen betroffen sind: Eichen, Kiefern und Buchen. Ein Mix, den die Förster intern als „Frankfurter Mischung“ bezeichnen und der jahrzehntelang ein Garant dafür war, dass der Stadtwald sowohl als Erholungsraum als auch von der Holzwirtschaft genutzt werden konnte. Das hat sich geändert. Denn inzwischen gefährden plötzliche Astabbrüche die Spaziergänger, und gesunde Bäume will man nicht mehr fällen.
Hatten sich Baumann und ihre Kollegen in den vergangenen Jahren vor allem mit der Frage beschäftigt, welche Baumarten überhaupt noch gepflanzt werden können, um Trockenheit und Hitze zu überstehen, so wollen sie jetzt außerdem stärker die Wasserversorgung in den Blick nehmen. Der Stadtforst organisiert deshalb in dieser Woche den dritten Waldkongress, um sich mit Experten aus ganz Deutschland auszutauschen. Das Motto der Veranstaltung lautet: „Die Ressource Wasser in urbanen Wäldern im Klimawandel“. Ein Thema, mit dem sich alle Verantwortlichen städtischer Wälder derzeit beschäftigen.
Riesiger mechanischer Filter und Speicher
Schließlich können Bäume ohne Wasser keine Nährstoffe aufnehmen. Das klingt banal und ist doch die zentrale Herausforderung – auch für den Frankfurter Stadtwald. Für Baumann und ihre Kollegen stellt sich die Frage, wie das Regenwasser in den Wintermonaten oder nach Starkregen im Sommer im Wald und im Boden gehalten werden kann. Eigentlich sei der Wald mit seinen im besten Fall dichten Baumkronen, die fast ein Dach bilden, ideal, um gleichmäßig die Bäume von oben zu bewässern, sagt Baumann. Der Wald wirke wie ein riesiger mechanischer Filter und Speicher. Er sorge damit für eine gleichmäßige Wasserführung der Bäche und fülle Weiher.
Doch wie kann etwa nach Starkregen das Regenwasser langfristig im Boden gehalten werden? Im Taunus, wo die Stadt Frankfurt auch Wald besitzt, hat man in Hanglagen begonnen, Mulden anzulegen, um die Kraft des Wassers zu bremsen und es aufzufangen. Doch was kann man beim zum größten Teil ebenen Stadtwald tun? Dazu gibt es noch keine konkreten Ideen.
Frankfurt bezieht seit jeher einen Teil des Trinkwassers aus dem Stadtwald. Derzeit wird knapp ein Viertel des Wasserverbrauchs Frankfurts auf diese Weise gedeckt. Künftig soll es mehr sein. Durch die Hitzesommer der vergangenen Jahre ist deutlich geworden, dass Trinkwasser ein knappes Gut werden könnte. Zumal Frankfurt weiter wächst und der politische Druck vor allem aus dem Vogelsberg, aus dem Frankfurt neben dem Hessischen Ried und dem Kinzigtal die anderen 75 bis 80 Prozent seines Trinkwassers bezieht, wächst, dass die Großstadt einen höheren Anteil der Eigenversorgung aufbringt.
„Die Funktion des Waldes ist, dem Menschen zu nutzen“
Das Wasserkonzept der Stadt Frankfurt sieht deshalb vor, die Trinkwassergewinnung von derzeit knapp elf Millionen Kubikmeter auf zunächst 13 Millionen und bis 2030 auf gut 16 Millionen Kubikmeter zu erhöhen. Das ist möglich, weil schon seit 1959 für die Wassergewinnung im Stadtwald Mainwasser aufbereitet und versickert wird, um den Grundwasserstand nicht zu gefährden. Für den geplanten Ausbau der Gewinnung muss mehr Mainwasser im Stadtwald infiltriert werden, wie es die Fachleute nennen. Die Mainwasseraufbereitungsanlage am Niederräder Ufer kommt durch die Kapazitätssteigerung nicht an ihre Grenzen, wohl aber das Infiltrationsnetzwerk im Stadtwald mit seinen Sickerschlitzgräben, Kiesbohrlochgruppen und Versickerungsleitungen. Technische Anlagen, die mit Blick auf den Naturschutz und der Tatsache, dass es sich beim Stadtwald um einen Bannwald handelt, nicht konfliktfrei zu realisieren sein werden.
Baumann kennt die Problematik und die Kritik der Anrainerregionen, Frankfurt verbrauche zu großzügig deren Wasser. „Die Funktion des Waldes ist, dem Menschen zu nutzen“, sagt Baumann. Auch den von Naturschützern formulierten Vorwurf, die Trinkwassergewinnung nehme den Bäumen den Anschluss ans Grundwasser, wehrt sie ab. Nur der Teil des Stadtwaldes, der im einstigen Mainflussbett wachse, liege so tief, dass die Bäume in drei bis sechs Meter Tiefe mit dem Grundwasser in Berührung kommen könnten.
Im größten Teil des Stadtwaldes stoße man erst in zehn bis 30 Meter Tiefe auf Grundwasser. „Da haben Bäume ohnehin keine Grundwasseranbindung“, sagt Baumann. Die Bäume reichten mit ihren Wurzeln maximal bis zu fünf Meter in den Boden. Ohnehin legten Wasserrechte fest, in welchem Maß Grundwasser gefördert werden dürfe. Bisher sei der kritische Wert noch nie erreicht worden. Nach allen Prognosen könne dies frühestens von 2040 oder 2050 an möglich sein.