So richtig lässt sich niemand aus der Reserve locken. Wer am Finanzplatz Frankfurt Stimmen zur bevorstehenden Vergabe der europäischen Anti-Geldwäsche-Behörde sammelt, stößt auf viel Hoffnung, auf Lob für die Bewerbung der Stadt, aber auch auf Unsicherheit. Eine Prognose derweil, wie die Wahl ausgeht, will niemand abgeben.
Zwar gilt Frankfurt bei der Entscheidung, wo die Anti-Money Laundering Authority, kurz AMLA, und ihre vermutlich rund 400 Mitarbeiter künftig ihren Sitz haben werden, unter Experten als Mitfavorit, neben der französischen Hauptstadt Paris und der spanischen Hauptstadt Madrid. Doch gibt es erhebliche Zweifel daran, ob Frankfurt aus dem Rennen der neun Bewerber als Sieger hervorgeht.
Es bestehe die Gefahr, sagen mit dem Auswahlverfahren vertraute Personen aus der Region, dass die Entscheidung vor allem politisch motiviert ist. Denn bei der Vergabe von EU-Institutionen geht es gewöhnlich nicht nur um Inhalte und Argumente, sondern auch um Absprachen und Proporz – also um Dinge, die die Bewerberstädte selbst und jene, die sich persönlich engagiert haben, kaum beeinflussen können.
Mit der Europäischen Zentralbank (EZB), die seit 1998 in Frankfurt beheimatet ist und die der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl 1992 persönlich nach Frankfurt gelotst haben soll, verfügt die Stadt schon über eine enorm wichtige EU-Behörde, die rund 5000 Mitarbeiter beschäftigt. Bei der Anhörung für die AMLA-Vergabe Anfang Februar wies prompt eine spanische EU-Parlamentarierin darauf hin, das Gleichgewicht bei der Vergabe von EU-Organisationen spreche gegen die hessische Metropole.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der sich bei der Anhörung für Frankfurt einsetzte, sieht das anders. Erstens findet er, dass Deutschland beim Blick auf EU-Institutionen eben „nicht in der ersten Reihe“ stehe. Und zweitens hält er gerade die Nähe zur EZB für ein zentrales Argument für die Ansiedlung der Behörde am Main.
EZB, Flughafen, Internationalität
Diese Sichtweise ist eine der tragenden Säulen in der Bewerbung Frankfurts. Schließlich beaufsichtigt die EZB jene Banken, die auch von der AMLA in den Blick genommen werden, einige Mitarbeiter aus der Zentralbank könnten sogar zur AMLA wechseln – und dann in Frankfurt bleiben. Das zweite Kernargument für Frankfurt ist der Flughafen, der nicht nur schnell aus der Innenstadt zu erreichen ist, sondern von dem aus auch viele Ziele der Welt in kurzer Zeit angeflogen werden können. In den 100 Seiten umfassenden Bewerbungsunterlage kokettiert Frankfurt zudem mit seiner Internationalität: In der Stadt gebe es 965 Ärzte, 2313 Anwälte und 266 Steuerberater, die der englischen Sprache mächtig seien, zudem wird auf die internationalen Schulen in der Region verwiesen.
All das klingt gut und hat viele EU-Politiker überzeugt, heißt es. Aber reicht das? 2017 musste Frankfurt schon einmal erfahren, was es heißt, bei der Vergabe einer EU-Institution leer auszugehen, bei der europäischen Bankenaufsicht EBA. Damals wähnte sich der Finanzplatz ebenfalls aufgrund der Nähe zur Europäischen Zentralbank und wegen seiner Verkehrsanbindung als Mitfavorit, die Entscheidung fiel aber zwischen Dublin und Paris.
Frankfurt hat aus Fehlern gelernt
Offenbar haben Stadt, Land und Bund aus den Fehlern von damals gelernt. Schließlich hieß es damals in der Analyse, dass gerade aus Berlin zu wenig Unterstützung für Frankfurts Bewerbung gekommen sei. Erstens weil seinerzeit gerade Sondierungsgespräche für eine neue Regierung liefen; zweitens weil sich Deutschland gleichzeitig mit Bonn um die Europäische Arzneimittelbehörde EMA beworben hatte, die schließlich nach Amsterdam ging. Diese Doppelbewerbung, kritisierte der damalige Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), habe den Standort „nicht gerade gestärkt“.
Zuvor hatte die EU-Kommission seinerzeit moniert, dass man in Frankfurt nicht bereit gewesen sei, Büroflächen zur Verfügung zu stellen. Dieses Mal ist das anders: Frankfurt hat nicht nur bezugsfertige Büroflächen: im „Tower 185“ an der Messe, im „Flow“ im Stadtteil Gateway Gardens und im Messeturm. Lindner verdoppelte in Brüssel auch kurzerhand die öffentlichen Fördermittel zur Ansiedlung der AMLA von zehn auf 20 Millionen Euro, die unter anderem dafür genutzt werden sollen, um die Miete für die Behörde in den ersten Jahren zu übernehmen.
AMLA-Ansiedlung könnte Sogwirkung erzeugen
Insgesamt, lobt der Geschäftsführer der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance, Hubertus Väth, hätten Bund, Stadt und Land vorbildlich miteinander agiert. Das müsse Schule machen – auch bei einer Niederlage Frankfurts. Schon Monate vorher hatten alle politischen Ebenen ihren Einfluss geltend gemacht, um ein einheitliches Bild abzugeben. Das erscheint sehr sinnvoll, schließlich geht es für Frankfurt um mehr als 400 Arbeitsplätze: Auf dem Spiel steht zudem das Image des Finanzplatzes, denn – darin sind sich alle Beobachter und Bewerber einig – von der Ansiedlung einer so wichtigen Behörde geht eine Sogwirkung aus, durch die weitere Banken, Kanzleien und Beratungen in die Stadt gelockt werden können.
Die Sitzung in Brüssel beginnt am Donnerstag um 18 Uhr. Wann am Abend die Entscheidung fällt, weiß niemand genau. Aber das ist nur eine kleine von vielen Unsicherheiten bei der AMLA-Bewerbung.