Deckenstrahler hängen schräg über der Schlafcouch, Schlaufengardinen schützen vor allzu neugierigen Blicken von außen. Nebenan thront ein Flachbildschirm auf zwei zusammengestellten Regalwürfeln, flankiert von einer Grünpflanze und einem Kerzenglas. In einem Regalfach träumt eine Putte vor sich hin, in einem anderen steht eine Blumenvase. Der gekreppte Lampenschirm erhellt den Raum mit sanftem Licht. Das gerahmte Poster sorgt für einen Farbtupfer an der Wand. Wohnungen wie diese gibt es viele. Einerseits. Denn die Möbel und Wohnaccessoires findet man in vielen Mitnahmemärkten. Andererseits ist diese Wohnung eine Seltenheit – in Marburg, wo sie sich befindet, aber auch in Hessen. Sie dient als Ausstiegswohnung für Prostituierte, wie es sie in Frankfurt mit seinem viel größeren Milieu nicht gibt.
Betrieben wird die Unterkunft vom Frankfurter Verein „Frauenrecht ist Menschenrecht“, kurz FIM genannt. Die Stadt Marburg unterstützt den Verein mit einem jährlichen Zuschuss über 12.000 Euro, wie Encarni Ramirez Vega sagt, die stellvertretende FIM-Geschäftsführerin. Von diesem Geld muss der Verein die Miete zahlen und anfallende Kosten decken, die sich aus der Beratungsarbeit mit den Frauen ergeben. Das kann eine Monatskarte für das örtliche Busnetz sein oder eine Fahrt zum Konsulat des Staats, aus dem die Frau stammt, weil sie etwa einen Ausweis braucht. Bisher haben sechs Frauen in der Zweieinhalbzimmerwohnung gelebt. Auch in diesen Tagen ist eine Klientin dort zu Gast. Wie lange wird sich weisen.