„Mein Bauch gehört mir.“ Das war der Slogan, der die Forderung nach der Abschaffung der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs, geregelt in Paragraph 218 Strafgesetzbuch, begleitete. Das Ergebnis: In Deutschland gibt es das Konstrukt der rechtswidrigen Selbstbestimmung. Ist das eine salomonische Lösung oder ein „Gnadenerlass“?
Gemäß Strafgesetzbuch ist ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich strafbar, aber es gelten Ausnahmen. Die Vorgaben der sogenannten Beratungsregelung bestimmen, dass eine Frau, die „den Eingriff verlangt“, sich in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle drei Tage vor dem Eingriff beraten lassen muss. Die Beratungsbescheinigung ist dem Arzt oder der Ärztin, die nicht an der Beratung teilgenommen haben dürfen, vorzulegen. Erfolgt der Abbruch schließlich innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis, „kann keiner der am Schwangerschaftsabbruch Beteiligten bestraft werden“. Darüber hinaus gibt es rechtfertigende Gründe, die Straflosigkeit bewirken, medizinische oder kriminologische Gründe, etwa der Abbruch nach einer Vergewaltigung.
Das Thema ist auf der Tagesordnung
Berücksichtigen wollte der Gesetzgeber das Recht der Frau, über den eigenen Körper zu verfügen, das Recht des Kindes auf Leben und das vorgeburtliche Diskriminierungsverbot. Seit Ende März 2023 tagt eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin. Sie blickt auf Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs und die Legalisierung der Eizellspenden und der Leihmutterschaft. In den nächsten Tagen soll eine Expertise vorliegen. Das Thema ist auf der Tagesordnung.
In der ZDFneo-Serie „Bauchgefühl“ geht es um diese Zusammenhänge. „Bauchgefühl“ von Esther Rauch (Buch und Regie) und Anneke Janssen (Buch), sowie Lisa Eidenhammer (Kamera) versteht sich als „Beitrag zum Diskurs“. Üblicherweise sind solche Ankündigungen ein sicheres Indiz für erzählerisches Desaster. Doch das ist hier anders, vor allem dank der beiden Hauptdarsteller Laura Berlin und Ludwig Trepte als Lena und Felix.
Sechs 15-minütige Folgen lang folgt „Bauchgefühl“ dem verheirateten Ehepaar, ihrer Tochter Greta (Lilo Nika Daners), Lenas Schwester Toni (Luise von Finckh), Freund Max (Jan Liem), dessen Frau Zoe (Davina Donaldson) und anderen durch die Geschichte Lenas ungewollter Schwangerschaft und ihres Schwangerschaftsabbruchs.
Die Serie setzt nicht auf billige Lösungen
Die Serie, die sich vor allem an 20- bis 35-Jährige wendet, wählt keine billigen Lösungen. Sie operiert nicht mit Schuld und Scham, ist lebens- und realitätsnah, emotional und bei allem um Sachlichkeit bemüht. Lena und Felix haben nicht verhütet, denn schon die erste Schwangerschaft kam nur mit Hilfe künstlicher Befruchtung zustande. Medizinisch schien erneute Empfängnis so gut wie unmöglich. Ein Wunder, aber keines, das bei Lena Glücksgefühle auslöst. Die Familie packt gerade für einen zweijährigen Berufsaufenthalt in Bangkok – der Lebenstraum der Lehrerin Lena. Ihr Mann Felix ist als Grafikdesigner flexibel. Tochter Greta wird heiß geliebt und entwickelt sich prächtig. Ein weiteres Kind? Nicht im Moment, vielleicht nie. Damit beginnt der Spießrutenlauf. Wie es der Apotheker (Kai Schumann) sagt, bei dem Lena einen Test kauft, der die Schwangerschaftswoche ungefähr bestimmt: „Für keine so tief greifende Entscheidung im Leben hat man so wenig Zeit wie für diese.“
Trailer
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„Bauchgefühl“
Video: ZDFmediathek, Bild: dpa
Die Zeit drängt, nachdem Lena sich entschieden hat. In der Frauenarztpraxis gibt es keine Termine für den Ultraschall, das Personal ist unfreundlich, detaillierte Informationen und verständnisvolle Begleitung sind kaum zu haben. Felix trauert, versteht es nicht, zieht aus. Lenas Schwester hilft, die Eltern sollen nichts wissen. In der Beratungsstelle versucht eine Mitarbeiterin, Lena umzustimmen und sie unter moralischen Druck zu setzen. Vor der Klinik laufen Demonstranten mit Babypuppen herum und beschimpfen Lena als Mörderin.
„Bauchgefühl“ erspart den Zuschauern wenig, auch nicht die eigentliche Abtreibung, Tränen, Trauer, das Zerwürfnis des Paares. Berlin und Trepte spielen das sehr differenziert, fern von „Thesenfernsehen“. Es geht ums Hinsehen, erst einmal nicht ums Bewerten. Daneben stellt „Bauchgefühl“ aber auch Eindeutiges. Etwa wenn die Ärztin Dr. Roithner (Antje Lewald) über ihre Erfahrung mit den Tabus rund um den Schwangerschaftsabbruch spricht oder ins Bild rückt, wie Lenas Entschluss als eine Art geistige Verwirrung infrage gestellt wird. Ruhe findet sie im Zoo vor dem Aquarium, als sie einen Jugendfreund trifft, einen ehemaligen Pfarrer. Es geht beiden um die Frage der Seele, um Absolutes, um Leben, um Scheitern und Gelingen. Dass eine Frau, die einen Abbruch vorgenommen hat, sich für immer schuldig fühlen wird, verneint die Serie. Dass sie eine leichtfertige, egoistische Person sei, ebenfalls. „Bauchgefühl“ macht es sich und uns nicht leicht.
Bauchgefühl ist in der ZDF-Mediathek abrufbar und läuft bei ZDFneo am 7. April, ab 20.15 Uhr.