Israels Regierungskabinett besteht aus fast vierzig Ministern, und nicht bei allen geht aus dem Namen hervor, wofür sie eigentlich zuständig sind. Im Fall von Ron Dermer beschreibt der Titel den Aufgabenbereich ziemlich genau: Minister für strategische Angelegenheiten. Manche Beobachter halten den 52 Jahre alten Likud-Politiker auch für Israels eigentlichen Außenminister. Denn Dermer ist insbesondere für regionalpolitische Angelegenheiten zuständig – und für die Beziehungen zur amerikanischen Regierung.
Mit diesen steht es gerade nicht zum Besten. In den nächsten Tagen werden daher gleich mehrere ranghohe israelische Vertreter in Washington erwartet. Verteidigungsminister Joav Galant soll an diesem Montag sein Gegenüber Lloyd Austin treffen; dabei dürfte es unter anderem um weitere amerikanische Waffenlieferungen gehen. Eine weitere Delegation soll sich auf Wunsch Joe Bidens „Alternativoptionen“ zur umstrittenen Offensive auf die Stadt Rafah anhören.
Lange Freundschaft mit „Bibi“
Dass Dermer diese Delegation gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrat, Tzahi Hanegbi, anführt, zeigt, auf welcher hohen Ebene der Konflikt um die Kriegführung im Gazastreifen sich inzwischen abspielt. Dermer gilt als der wichtigste politische Vertraute Benjamin Netanjahus und absolviert wichtige Missionen für den Ministerpräsidenten, teils hinter den Kulissen.
Die beiden blicken auf eine lange gemeinsame Geschichte zurück. Dermer wurde 1971 in Florida geboren und studierte unter anderem Finanzmanagement. Mitte der 1990er-Jahre stieg er in das Geschäft der politischen Beratung ein, von 2000 an war er für Netanjahu tätig, der damals sein Comeback plante. Später wurde Dermer dessen strategischer Berater. Er sei „Bibis Gehirn“, hieß es in einem amerikanischen Magazin einmal über ihn.
Seinen amerikanischen Pass gab Dermer ab, als er 2005 Wirtschaftsattaché an der israelischen Botschaft in Washington wurde. Von 2013 an war er dann acht Jahre lang Botschafter, also in den späten Obama- und in den Trump-Jahren. Dermer galt als fähig und effektiv.
Die heute wieder regierenden Demokraten dürften sich dennoch mit gemischten Gefühlen an ihn zurückerinnern. Er soll 2015 Netanjahus berühmte Rede eingefädelt haben, in der dieser vor dem Kongress Obamas Iran-Politik geißelte. Später sprach Dermer vom „stolzesten Moment“ seiner Zeit in Washington. Dass Biden und seine Leute das ganz anders sehen, hat möglicherweise dazu beigetragen, dass Dermer nach Netanjahus Wahlsieg Ende 2022 nicht Außenminister wurde. Auf dem Posten, den er stattdessen erhielt, hat er in der Praxis jedoch mindestens ebenso viel Einfluss.