Daniel Thioune hatte ziemlich gründlich nachgedacht vor diesem wahrscheinlich größten Spiel als Trainer von Fortuna Düsseldorf. Anhand von Wahrscheinlichkeitsrechnungen hatte er ermittelt, dass die übliche Außenseiterrechnung im Halbfinale des DFB-Pokals bei der fußballerischen Übermacht aus Leverkusen ungültig sei. Die Idee, dass man „als Zweitligist von zehn Spielen neun verliert“ sei in diesem Fall unpassend, hatte er verkündet.
Aktuell sei es eher so: „Von 100 Spielen würden wir wahrscheinlich 99 verlieren.“ Das hielt ihn aber nicht davon ab, vom Pokalsieg zu träumen: „Irgendwann bin ich damals ja auch Fußball-Profi geworden, und die Chance dazu war noch geringer“, lautete seine Überlegung. Um nun abermals das schier Unmögliche zu erreichen, hatte er sich eine mutige – rückblickend lässt sich sogar sagen: waghalsige – Strategie überlegt. Denn schon nach 20 Minuten stand er am Spielfeldrand und musste einsehen, dass sein Plan krachend gescheitert war.
Gerade hatte sich seine Mannschaft im Anschluss an eine naive Pressingaktivität auskontern lassen, Nadiem Amiri war das frühe 2:0 gelungen. Nur noch Phantasten glaubten jetzt an die Fortuna. Der erste Treffer war Jeremie Frimpong schon nach sechs Minuten gelungen, am Ende gewann der souveräne Tabellenführer der Bundesliga leichtfüßig 4:0 gegen den Aufstiegsaspiranten aus der Nachbarstadt.
Der Traum vom Triple bleibt lebendig, und die Düsseldorfer können sich damit trösten, dass sie eine von vielen Mannschaften sind, die unter dem fabelhaften Kombinationsfußball der Leverkusener zusammengebrochen sind.
Es passt alles bei Leverkusen
Es lässt sich ja trefflich darüber diskutieren, ob es besser ist, sich gegen diese Ballzirkulationsmaschine tief in der eigenen Hälfte zu verbarrikadieren oder ob eine mutigere Herangehensweise bessere Erfolgsaussichten bietet. Beide Varianten wurden im Saisonverlauf schon ausprobiert, beide bereiteten den Leverkusenern schon Probleme.
Aber an diesem Abend passte einfach alles bei Leverkusen: Der Ball lief wie immer, und nach 35 Minuten fabrizierte der Düsseldorfer Torhüter Florian Kastenmeier einen furchtbaren Fehler im Spielaufbau, drei Pässe später hatte Florian Wirtz keine Mühe den dritten Treffer für Bayer 04 nachzulegen.
Zwar hatte auch die Fortuna anschließend ganz gute Chancen; zunächst Andre Hoffmann, der aus sieben Metern freistehend zu unpräzise schoss (45.), und auch der zuletzt so starke Christos Tzolis hatte eine gute Möglichkeit. Aber die Leverkusener Überlegenheit war insgesamt erdrückend.
Womöglich lag das auch daran, dass der wichtige Düsseldorfer Mittelfeldspieler Ao Tanaka kurzfristig verletzt ausgefallen war, aber vermutlich hätte auch die Anwesenheit des Japaners auf dem Platz wenig an diesem einseitigen Spielverlauf geändert. Nach der Pause ging es dann für die Düsseldorfer vor allen Dingen darum, nicht gedemütigt zu werden, damit das Selbstvertrauen keinen nachhaltigen Schaden erleidet.
So ein Pokalfinalerlebnis, noch dazu gegen Kaiserslautern, einen Gegner auf Augenhöhe, wäre zwar schön gewesen. Aber zumindest aus Sicht der Klubführung ist der Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga die wichtigere Herausforderung. Die genaue Wirkung dieser Niederlage war am Ende dieses Abends jedoch unklar, denn ein 4:0 mit einer derartigen Chancenlosigkeit wird kein Düsseldorfer schnell vergessen.
Nach einem Check des Videoassistenten verwandelte Wirtz auch noch einen Foulelfmeter zum 4:0 (60.), und zum fünften Mal jubelte das Publikum, als Victor Boniface eingewechselt wurde. Der Nigerianer zählte zu den Helden der Hinrunde, musste sich aber in der Winterpause einer Adduktorenoperation unterziehen. Nun gab er sein Comeback, durfte aber kein weiteres Tor bejubeln.
Neutrale Zuschauer können zwar ein wenig trauern, dass diese brillanten Leverkusener nur so selten richtig herausgefordert werden, aber dem Trainer Alonso und seinen Spielern wird das egal sein. Zumal sich ältere Freunde des Werksklubs derzeit oft ja an die legendären Frühlingswochen des Jahres 2002 erinnert fühlen, als schon einmal eine Leverkusener Mannschaft ganz Europa begeisterte und mehrere Titel greifbar waren.
Zu den Gründen, dass das Team um Michael Ballack damals ganz ohne Trophäe dastand, zählte in der Nachbetrachtung nicht zuletzt die Tatsache, dass die intensive Belastung in drei Wettbewerben zu hoch war. Im laufenden Spieljahr ist diese Gefahr geringer, weil die Gegner jenseits der Bundesliga Qarabag, Molde, Düsseldorf und nun im Endspiel des DFB-Pokals Kaiserslautern heißen, statt FC Arsenal, Juventus Turin und Schalke 04.