Über Monate vermied Donald Trump es, sich im Detail zu seiner Position zu Abtreibungen einzulassen. So heikel ist für die Republikaner das Thema, das die Demokraten sich im Präsidentschaftswahlkampf auf die Fahnen geschrieben haben. Als Trump sich am Montag dann doch äußerte, blieb er viele entscheidende Antworten schuldig.
Das viereinhalb Minuten lange Video, das der republikanische Präsidentschaftskandidat in seinem Netzwerk „Truth Social“ hochlud, begann mit einem Lobgesang auf „starke, erfolgreiche, gesunde amerikanische Familien“. Er, Trump, wolle solche Familien als Präsident unterstützen. Babys seien „kostbar“ und Kinder die „ultimative Freude des Lebens“.
Es ist nicht neu, dass der Republikaner sich für seine konservative Basis als Retter der amerikanischen Familie gibt. Doch als Wahlkämpfer weiß Trump auch, dass das Abtreibungsthema ihn wertvolle Stimmen kosten könnte, etwa unter weißen Frauen in den Vororten. Und so konzentrierte er sich in seiner Botschaft zunächst auf eine Sache, bei der er sich breiter Unterstützung sicher sein kann: dem Zugang zu künstlicher Befruchtung. Er sei für die Verfügbarkeit von In-vitro-Fertilisation in allen Bundesstaaten, hob Trump hervor.
Das hatten die Republikaner jüngst hektisch unisono beteuert, nachdem eine Entscheidung des konservativen Obersten Gerichtshofs in Alabama den Zugang zu der Behandlung schwieriger gemacht hatte. Weil die Richter beschlossen, bei Kinderwunschbehandlungen eingefrorene Embryos müssten künftig als Kinder angesehen werden, stellten viele Kliniken ihre Dienste vorläufig ein. Trump versicherte nun abermals, die republikanische Partei stehe „immer auf der Seite des Wunders des Lebens“.
Irreführend und teilweise falsch
Im Falle von Abtreibungen vermied der Präsidentschaftskandidat derlei konkrete Aussagen. Stattdessen sagte Trump einmal mehr, er sei „stolz“ darauf, die konservative Mehrheit am Obersten Gerichtshof in Washington ermöglicht zu haben, die im Juni 2022 das amerikanische Grundrecht auf Abtreibungen abgeschafft hatte. Dann ging er zum Angriff auf seinen politischen Gegner über. Man müsse an dieser Stelle an die Demokraten erinnern, „die hier die Radikalen sind“. Sie seien es, die „Abtreibungen nach dem neunten Monat“ unterstützen. Babys würden nach der Geburt „umgebracht“, behauptete Trump in dem Video, und fügte an, „fast jeder“ Demokrat befürworte das.
Der Republikaner wiederholt diese Aussagen seit Jahren, stellt die Zusammenhänge jedoch irreführend und teilweise falsch dar. Fakt ist, dass fünf Bundesstaaten und Washington D.C. nach wie vor Abtreibungen ohne zeitliche Einschränkungen erlauben. Laut den jüngsten Zahlen der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC entfielen 2021 jedoch gut 93 Prozent der Abtreibungen auf die Zeit vor der 13. Schwangerschaftswoche und weniger als ein Prozent auf den Zeitraum nach der 21. Woche. Außerdem gibt es keine öffentliche Unterstützung der Demokraten für Spätabtreibungen.
Trump zieht sich wieder aus der Affäre
Trump äußerte sich in dem Video nicht dazu, von welcher Woche an er Schwangerschaftsabbrüche verbieten würde. Stattdessen sagte er, es sei nach der Entscheidung des Obersten Gerichts nun an den Bundesstaaten, „das Richtige zu tun“. Einige würden dabei konservativer, andere weniger konservativ entscheiden. Am Ende gehe es jedoch „um den Willen des Volkes“, fügte Trump an, und zog sich damit weiter aus der Affäre. Viele Republikaner verlangen von ihm, als Präsident ein bundesweites Abtreibungsverbot zu unterstützen. Trump verwies am Montag jedoch auf die Zuständigkeit der Bundesstaaten und ging nur so weit zu sagen, er unterstützte grundsätzlich Ausnahmen für Vergewaltigung, Inzest und im Falle einer Gefahr für das Leben der Mutter. Diese gibt es in neun republikanischen Bundesstaaten, die Abtreibungen vollständig verboten haben, nicht mehr.
Bei alledem geht es Trump weniger um das Abtreibungsthema selbst als um die möglichen politischen Auswirkungen der Debatte. So kam er in seinem Video nach dreieinhalb Minuten darauf zu sprechen, man müsse „Wahlen gewinnen, um unsere Kultur wiederherzustellen und unser Land zu retten“. Zwar gelte es, in der Abtreibungsfrage seinem Herzen und seinem Glauben zu folgen. „Aber wir müssen gewinnen, wir müssen einfach.“
Den republikanischen Senator Lindsey Graham, der Trump am Montag für seine zu weiche Position kritisierte, wies der Präsidentschaftskandidat denn auch scharf zurecht. Viele gute Republikaner hätten Wahlen wegen des Abtreibungsthemas verloren, schrieb er auf „Truth Social“. Und Leute wie Graham „überreichen den Demokraten ihren Traum vom Repräsentantenhaus, dem Senat, und vielleicht sogar der Präsidentschaft“.