Der Radar- und Sensorspezialist Hensoldt nimmt die jüngsten Berichte zu den Anschlagsplänen auf den Rheinmetall-Vorstandsvorsitzenden Armin Papperger zum Anlass, die „ohnehin hohen Sicherheitsstandards nochmals zu überprüfen“. Wie ein Sprecher des in Taufkirchen nahe München ansässigen Unternehmens auf Anfrage der F.A.Z. sagt, sieht Hensoldt aktuell keine unmittelbare und konkrete Bedrohungslage, steht aber in ständigem Austausch mit den Sicherheitsbehörden. Seit 1. April ist Oliver Dörre Vorstandschef des Rüstungsunternehmens. Anders als Papperger hält er sich mit öffentlichen Auftritten zurück.
Nachdem am Donnerstagabend bekannt geworden ist, dass Amerika und Deutschland einen russischen Anschlag auf den Dax-Vorstandschef Papperger verhindert haben sollen, steht die Rüstungsbranche im Fokus. Gleichzeitig sind diese Unternehmen schon seit Langem besonders für eine Bedrohungslage sensibilisiert. Hensoldt etwa liefert Hochleistungsradare für das von der Ukraine eingesetzte Flugabwehrsystem IRIS-T. Diese baut Diehl Defence . Der Chef der Rüstungssparte des Nürnberger Technologiekonzerns, Helmut Rauch, hatte vor wenigen Wochen auf die nahezu 100-prozentige Trefferquote von IRIS-T in der ukrainischen Luftverteidigung verwiesen. Auch Diehl Defence beobachtet die neue Entwicklung rund um die Anschlagspläne sehr aufmerksam und passt die ebenfalls schon hohen Sicherheitsstandards laufend an.
Enger Austausch mit Sicherheitsbehörden
Am Stammsitz des Waffenherstellers Heckler & Koch im baden-württembergischen Oberndorf am Neckar haben sich die Sicherheitsvorkehrungen in den vergangenen Jahren erheblich verschärft. Während es vor einiger Zeit noch möglich war, mit dem Auto auf den Besucherparkplatz bis direkt vor die Pforte zu fahren, versperrt nun ein mehr als zwei Meter hohes Metalltor den Zugang. Schon zuvor war das Gelände durch hohe Zäune gesichert, nun ist die Begrenzung aber noch mit zusätzlichen Nato-Stacheldraht verstärkt. Nähere Informationen zum Ausbau der Vorkehrungen und den Maßnahmen zum Schutz von Heckler-&-Koch-Chef Bodo Koch nennt das Unternehmen nicht. „Wir befinden uns in einem engen und kontinuierlichen Austausch mit den Sicherheitsbehörden“, sagt ein Sprecher.
Dass Rheinmetall-Chef Papperger ein mögliches Attentatsziel ist, hat den Sicherheitsfachmann Ulrich Weynell nicht überrascht. „Es hat mich ein bisschen gewundert, dass man das in der Öffentlichkeit breit getreten hat“, sagt Weynell der F.A.Z. Seit 40 Jahren ist er in der Sicherheitsbranche unterwegs, derzeit mit den beiden Unternehmen ISN GmbH sowie ISN AG, was für „International Security Network“ steht – da geht es um Personenschutz genauso wie mechanische und elektronische Sicherungssysteme. Er vermutet, dass es eine undichte Stelle gegeben hat und Behörden und Rheinmetall damit „gezwungen“ waren, an die Öffentlichkeit zu treten. „Aber vielleicht auch zusätzlich um potentiellen Tätern zu sagen, wir sind bestens informiert.“ ISN sichert auch Vorstandsvorsitzende von „sehr namhaften deutschen Unternehmen“ ab, wie Weynell sagt. Es gibt einige Prominente wie Robbie Williams oder Peter Maffay, die kein Problem damit haben, dass andere wissen, wer sie schützt. Die Vorstandschefs behalten das lieber für sich. „Der beste Personenschutz ist der, den andere Menschen gar nicht wahrnehmen“, sagt Weynell. Ausnahmen seien strategisch gewollte sichtbare Maßnahmen. Es geht aber immer um mehr als das Sicherheitspersonal mit dem Knopf im Ohr – also etwa um Gefahrenanalyse oder mögliche Fluchtwege.
Teure Rund-um-die-Uhr-Überwachung
Prinzipiell werden Manager in Deutschland durch private Sicherheitsdienstleister geschützt – und die Rund-um-die-Uhr-Überwachung kostet viel Geld. Schließlich ist so ein Schutz in der Regel nicht mit einer Person erledigt. Ein Sicherheitsteam setzt sich häufig aus vier bis sechs Personen zusammen – manchmal gehören dazu auch Dienste, die die Kinder zur Schule zu bringen. Nur mit Begleitschutz ist es zudem nicht getan. „Um solche besonders gefährdeten Menschen zu schützen braucht es Personenschutz, Elektronik, die meldet, und Mechanik, die verhindert“, sagt Weynell. Dabei geht es etwa darum, alle Öffnungen in einem Haus abzusichern, also Glas, Fenster, Türen.
Auch der Automobilzulieferer ZF gibt aus Sicherheitsgründe keine Informationen darüber preis, wie der Konzern seine Manager schützt. „Die Sicherheit unseres Unternehmens und seiner Repräsentanten hat höchste Bedeutung, wir nehmen sie sehr ernst“, sagt Sascha Teifke, Leiter der ZF-Konzernsicherheit. Klar ist aber, dass die Situationen, auf die sich ein global agierendes Unternehmen wie ZF mit mehr als 160.000 Mitarbeiter und mit 62 Produktionsstandorten in 31 Ländern einstellen muss, sehr unterschiedlich sind. Zu den Notfallszenarien gehören neben Angriffen auf Manager auch kriegerische Auseinandersetzungen, Unglücke und Naturkatastrophen.
In solchen Fällen laufen bei weltweit operierenden Unternehmen alle Fäden im sogenannten „War-Room“ zusammen. In diesen Sicherheitszentralen gibt es zumeist große digitale Weltkarten. Sie sind rund um die Uhr besetzt, haben alle Informationen zu Niederlassungen und in der Welt stationierten Mitarbeitern und können in der Regel auf alle Reisedaten des Konzerns zugreifen. Im Krisenfall wird zuerst überprüft, ob in der betroffenen Region Mitarbeiter des Unternehmens leben oder auf Dienstreisen dort unterwegs sind. Unter Umständen organisiert der Konzern dann Ausreisen und Flüge. Bei Reisenden ist der Konzern in bestimmten Fällen weisungsbefugt und kann anordnen, dass Mitarbeiter etwa in ihren Hotelzimmern bleiben, Wetterlagen abwarten oder sich auf direktem Weg zum Flughafen begeben.