Das Urteil zu seinen Lasten nahm Martin Kind aus der Ferne wahr. Der Unternehmer und Fußballförderer muss geahnt haben, dass sich die Reise zum Bundesgerichtshof (BGH) nach Karlsruhe für ihn nicht lohnen konnte. Wie erwartet ist der BGH zu der Auffassung gekommen, dass die Abberufung von Kind als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH rechtens war.
Das Urteil beendet einen zweijährigen Streit zwischen Kapitalseite sowie Stammverein und bringt Hannover 96 unter Druck. Damit der Zweitligaklub kurz vor dem Saisonstart Anfang August handlungsfähig bleibt, muss zeitnah ein neuer Geschäftsführer gefunden werden.
Wechsel in den Aufsichtsrat
Das juristische Säbelgerassel rund um die Zuständigkeiten bei Hannover 96 beinhaltet eine Mischung aus Komik und Tragik. Der mittlerweile 80 Jahre alt Kind war 1997 zunächst als Präsident angetreten, um den Verein aufzupäppeln und zu entwickeln. Unter seiner Regie ist ein Firmengeflecht entstanden, über dessen Inhalte, Vorteile und Tücken selbst das höchste deutsche Gericht lange nachdenken musste.
In diesem konkreten Fall ist entschieden worden: Kind hatte sich zu Unrecht an Urteile des Landgerichtes Hannover und Oberlandesgerichtes Celle geklammert. Die Vereinsführung von Hannover 96 ist in ihrer Auffassung bestätigt worden, dass Kind an der sensiblen Nahtstelle zwischen Geldgebern und Vereinsmitgliedern nicht mehr tragbar sei. Er wird ab sofort von etwas ferngehalten, das unter seiner Obhut aufgebaut worden ist.
Wie reagiert ein Macher wie Kind auf diese juristische Niederlage und Zäsur? Mit einer Demission oder dem Hissen einer weißen Flagge war nicht zu rechnen. Minuten nach der Urteilsverkündung des BGH ließ der Unterlegene eine Pressemitteilung verschicken, die verdeutlichen soll, an welchen Stellen Kind an der Macht bleibt.
Er kündigt an, in den Aufsichtsrat der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA zu wechseln und erinnert daran, dass er in mehreren anderen Gesellschaften im 96-Konstrukt Geschäftsführer bleibt. Insgesamt besteht laut der Mitteilung der Wunsch, konstruktiv für eine Weiterentwicklung von Hannover 96 zusammenzuarbeiten.
Kinds eigene Logik
Die Vorwürfe, die das Vorstandsteam von Hannover 96 mit Sebastian Kramer an der Spitze gegen Kind richtet, klingen bis heute deftig. Nach fast drei Jahrzehnten in der Verantwortung – in den letzten Jahren mit einer spät erwachten Opposition konfrontiert – wird Kind beschuldigt, seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt und Informationen sowie Zahlungen zurückgehalten zu haben.
Es lässt sich nicht verbergen, dass der mächtige Mann im Laufe der Jahre immer weniger Lust darauf hatte, sich bei grundlegenden Entscheidungen mit ehrenamtlichen Vereinsvertretern abzustimmen. Kind vertritt die Auffassung: Wer einem Fußballverein das nötige Geld für eine Teilnahme am Profisport gibt, muss auch das Sagen haben.
Bundesweiter Unterhaltungswert
Diese Logik lässt sich nur schwer mit der 50+1-Regel vereinbaren, die dafür sorgt, dass die Entscheidungshoheit in Profiklubs auf der Vereinsseite bleibt. Das Tauziehen bei Hannover 96, das vor Gericht, hinter den Kulissen und in den Medien ausgetragen wird, besitzt bundesweiten Unterhaltungswert.
Denn über allem schwebt die Frage, ob Kind es nicht doch wagen wird, gegen die 50+1-Regel zu klagen. Wie er sein finanzielles Engagement bei Hannover 96 fortsetzt, bleibt maßgeblich mit der Frage verbunden, was die DFL zulässt.
Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg and TSG Hoffenheim continue to benefit from exceptions. In all other clubs in the first and second Bundesliga, the 50+1 rule stipulates that investors cannot have the final say – and this is also the case in Hanover.
It remains to be seen who will have the say on big and important issues at Hannover 96 in the future. In the short term, Hannover 96 Management GmbH needs a new strong man to be able to sign contracts for new signings and player sales, for example.
More important in the long term is the question of whether the BGH's ruling has led to Kind's complete withdrawal. As a hearing aid entrepreneur, he has passed on most of the responsibility to his son Alexander. He had his younger son Matthias transfer his shares as the majority shareholder of Hannover 96.