Der syrische Machthaber Baschar al-Assad gerät offenbar auch in der Hauptstadt Damaskus weiter unter Druck. Wie Aktivisten am Samstag berichteten, sollen Soldaten der syrischen Regierung Posten in der Nähe der Hauptstadt verlassen haben. Die Regierungstruppen hätten sich aus dem Ort Artuz, etwa 15 Kilometer südwestlich von Damaskus, zurückgezogen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Das Militär äußerte sich zunächst nicht dazu. Im Internet wurden Bilder von Aufständen aus Vororten der Hauptstadt verbreitet. Ebenso von Sicherheitskräften, die ihre Uniformen auszogen und gegen Zivile Kleidung wechselten. Augenzeugen berichteten, in einem Vorort von Damaskus hätten Demonstranten eine Statue des verstorbenen Vaters von Präsident Assad umgestürzt.
Dabei war nicht vollständig geklärt, ob es sich um örtliche Aufstände handelte, oder ob Rebellen aus dem Süden vorgerückt waren. Es könne eine Mischung sein, hieß es von gut in Syrien vernetzten Beobachtern. Die betroffenen Gegenden sind frühere Bastionen der Aufständischen, die nach brutaler Belagerung vom Regime zurückerobert waren.
„Es ist keine Militärkampagne mehr, es ist ein Aufstand in Damaskus“, sagte ein Einwohner der syrischen Hauptstadt der F.A.Z. in einem Telefongespräch. Die Märkte seien geschlossen, es gebe keinen Treibstoff, keinen Strom. Er bestätigte die Berichte, laut denen Soldaten sich ihrer Uniformen entledigten und sich in Zivil kleideten. „Es herrscht Angst. Wir brauchen keinen sinnlosen Widerstand. Das Regime hat verloren. Es muss das zugeben.“
Bewaffnete Auseinandersetzungen in Homs
Die syrische Regierung sah sich am Samstag gezwungen, Berichte zu dementieren, der Präsident sei aus Damaskus geflohen. „Wir bestätigen, dass der syrische Präsident seine Arbeit sowie seine nationalen und konstitutionellen Aufgaben von der Hauptstadt Damaskus weiterführt“, hieß es in einer Mitteilung. Auch kurzfristige Auslandsbesuche gebe es nicht, hieß es weiter.
Während sich die Regierungstruppen nach eigenen Angaben „neu positionieren“, verzeichnen die Aufständischen auch in anderen Teilen des Landes und an der Grenze zu Israel weitere Gebietsgewinne. Eigenen Angaben zufolge sind sie bereits in der strategisch wichtigen Stadt Homs im Einsatz. In einer Mitteilung der Rebellenallianz „Hay’at Tahrir al-Scham“ (HTS) am Samstag hieß es, Kräfte, die hinter den feindlichen Linien stationiert seien, hätten mit „Spezialoperationen“ im Stadtgebiet begonnen. Gleichzeitig gebe es einen massiven Angriff von mehreren Seiten. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte, dass es in Homs zu bewaffneten Auseinandersetzungen komme. Unbestätigten Berichten zufolge sollen sich die Regierungstruppen aus der Stadt zurückziehen.
Homs, die drittgrößte Stadt Syriens, ist noch immer gezeichnet von den brutalen Gefechten, die dort tobten, als der Aufstand gegen Baschar al-Assad 2011 begann. Seinerzeit gelang es dem syrischen Gewaltherrscher, seine Gegner in die Knie zu zwingen. Heute gilt seine Herrschaft als so gefährdet wie nie.
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle stehen die Provinzen Suweida und Daraa mittlerweile fast vollständig unter der Kontrolle von lokalen Oppositionskräften. Schon zuvor meldete die Beobachtungsstelle, dass Aufständische die Stadt Daraa unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Sicherheitskräfte der Regierung hätten zuvor Posten und Stützpunkte verlassen, berichtete die Beobachtungsstelle. Die Aufständischen riefen demnach Angehörige der syrischen Streitkräfte zum Überlaufen auf.
Moskau ruft zu Dialog auf
Am Samstag nahmen die Aufständischen eigenen Angaben zufolge auch die Stadt Quneitra nahe der Grenze zu Israel ein. Das verlautete aus Rebellenkreisen und wurde von einem syrischen Offizier gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters bestätigt. Der Offizier gestand ein, dass sich seine Soldaten zurückgezogen hätten. Quneitra liegt auf dem syrischen Teil der Golanhöhen im Südwesten des Landes.
Als erstes war den Aufständischen der HTS, deren Name sich als „Komitee zur Befreiung Großsyriens“ übersetzen lässt, Ende November die nordsyrische Millionenstadt Ende November Aleppo weitgehend kampflos in die Hände gefallen. Am vergangenen Donnerstagabend folgte Hama, wo die zerfallenden Streitkräfte des Regimes nach kurzer Gegenwehr abzogen. HTS-Anführer Abu Muhammad al-Golani will nun auch Baschar al-Assad stürzen. „Wenn wir von Zielen sprechen, dann bleibt das Ziel der Revolution der Sturz dieses Regimes. Es ist unser Recht, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um dieses Ziel zu erreichen“, sagte er dem amerikanischen Fernsehsender CNN. Iran und Russland hätten beide versucht, das Leben der Führung in Damaskus zu verlängern. Aber das habe über eines nicht hinwegtäuschen können: „Das Regime ist tot.“
Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief am Samstag nach Gesprächen mit seinen Kollegen aus der Türkei und Iran über die Lage in Syrien zu einem Ende der Kampfhandlungen auf. Alle drei Länder wollten nun Schritte unternehmen, um ein Ende der Kämpfe und einen Dialog zwischen der Führung von Machthaber Assad und der legitimen Opposition zu erreichen, teilte Lawrow bei einem politischen Forum in Doha mit. Russland werde Assad weiter militärisch unterstützen und dabei helfen, die Lage zu normalisieren, sagte Lawrow. Dazu würden nun Schritte ausgelotet, wie etwa die Lage an der türkisch-syrischen Grenze beruhigt werden könne, ohne die territoriale Unversehrtheit des Landes zu gefährden.
UN special envoy Geir Pedersen called for an “orderly transition” and called for de-escalation during a brief press appearance in Doha on Saturday evening. The situation is changing from minute to minute. In international Syria diplomacy, the reading that was presented throughout the day was that the key players are currently leading on sight.