Auf den Schlag folgt die Warnung vor einem Gegenschlag. So war es auch am Samstag. Kurz nachdem die nächtlichen Angriffe auf Ziele in Iran beendet waren, gab in Israel Armeesprecher Daniel Hagari eine Erklärung für die Öffentlichkeit ab. Das Militär habe deutlich gemacht, dass es „sowohl die Fähigkeit als auch die Entschlossenheit“ habe, zu handeln, sagte er. Man stehe bereit, Israel offensiv wie defensiv zu verteidigen.
Israel habe militärische Ziele angegriffen und damit „unmittelbare Bedrohungen für den Staat Israel beseitigt“, sagte der Armeesprecher. Er machte deutlich, dass die Vergeltung für den iranischen Angriff vom 1. Oktober aus Sicht Israels damit abgeschlossen sei. Zugleich warnte er: „Sollte das iranische Regime den Fehler begehen, eine neue Eskalationsrunde einzuleiten, werden wir gezwungen sein, darauf zu reagieren.“ Etwas später verschärfte Hagari seine Drohung: Die Ziele, die Israel attackiert habe, seien „aus einer großen Zieldatenbank“ ausgewählt worden. Man sei in der Lage, „bei Bedarf weitere Ziele daraus auszuwählen und zu treffen“.
Zwei iranische Soldaten getötet
Das Ausmaß der Angriffe und der Schäden war am Samstagnachmittag noch nicht genau bekannt. Iranische Staatsmedien teilten unter Verweis auf Angaben der Armee mit, zwei Soldaten seien getötet worden. Ansonsten sprach die Regierung von „begrenzten Schäden“. Viele der israelischen Angriffe auf Militäranlagen in mehreren Provinzen seien abgewehrt worden.
Die amerikanische Zeitung „New York Times“ berichtete unter Berufung auf iranische Quellen, dass unter anderem ein S-300-Flugabwehrsystem attackiert worden sei – ähnlich wie bei dem israelischen Angriff im April. Dieses Mal soll es sich um eine Anlage nahe dem internationalen Flughafen von Teheran handeln. Ein im Internet verbreitetes Video zeigt zudem angeblich Schäden an einer Drohnenfabrik südlich von Teheran.
Keine Angriffe auf Öl- und Atomanlagen
Klar scheint nach bisherigen Erkenntnissen, dass der israelische Angriff weit maßvoller ausgefallen ist, als in manchen Szenarien in den vergangenen Wochen ausgemalt worden war. Von Angriffen auf die iranische Petrochemie-Industrie oder gar Atomanlagen sah Israel ab. Ungeachtet dessen gilt: Die Schwere und Art der Attacken dürften mitentscheidend sein dafür, ob Iran sich unter Zugzwang sieht, wiederum eine direkte Vergeltung anzukündigen. Nach erstem Eindruck scheint der Angriff indessen so kalibriert gewesen zu sein, den Schlagabtausch nicht weiter eskalieren zu lassen. Die Zeitung „Washington Post“ zitierte die Einschätzung einer mit den israelischen Plänen vertrauten Person: Danach sollte der Angriff so ausgeführt werden, dass die Zahl getöteter Personen minimiert wird und Iran die Möglichkeit gegeben wird, größere Schäden zu bestreiten.
Das iranische Außenministerium verwies in einer Erklärung am Samstag zwar auf die Charta der Vereinten Nationen und sprach von Irans „Recht und Pflicht, sich gegen ausländische Akte der Aggression zu verteidigen“. Zugleich gab es jedoch Medienberichte, wonach Teheran auf indirektem Wege die Botschaft an Israel gesendet hat, dass es nicht auf die Angriffe reagieren werde.
Warnungen, aber auch Angebote
Verbündete Israels versuchten am Samstag, die iranische Seite in diesem Weg zu bestärken – mit Warnungen und Angeboten. So bekräftigte der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin, die USA seien der Sicherheit Israel verpflichtet. Er verwies auf die verstärkte amerikanische Militärpräsenz in der Region, die dazu diene, eigene Truppen und Partner „angesichts von Bedrohungen durch Iran und durch iranisch unterstützte Terrororganisationen“ zu schützen.
Zugleich hieß es in Medienberichten, die USA hätten Iran die Botschaft zukommen lassen, wonach ein iranischer Gegenschlag diplomatische Bemühungen Washingtons untergraben würde, eine Waffenruhe sowohl im Gazastreifen als auch in Libanon zu vermitteln. Mit ähnlichen Argumenten hatten die USA schon kurz nach der – Israel zugeschriebenen – Tötung von Hamas-Anführer Ismail Haniyeh Ende Juli in Teheran versucht, eine militärische Antwort Irans zu verhindern.
Bundeskanzler Olaf Scholz rief zur Deeskalation auf. „Meine Botschaft an den Iran ist klar: Es darf nicht immer weitergehen mit massiven Reaktionen der Eskalation. Das muss jetzt ein Ende haben“, erklärte er am Samstag auf der Plattform X. Dann biete sich die Möglichkeit für „eine friedliche Entwicklung im Nahen Osten“. Wichtig dafür sei auch eine Waffenruhe im Gazastreifen und eine Freilassung der israelischen Geiseln.
„Iran sollte nicht reagieren“, sagte auch der britische Premierminister Keir Starmer. Wie auch das französische Außenministerium rief er alle Seiten zur Zurückhaltung auf, damit es keine weitere regionale Eskalation gebe. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die wie Saudi-Arabien den israelischen Angriff verurteilten, mahnten „maximale Zurückhaltung“ an.
Hizbullah gewinnt wieder an Schlagkraft
Selbst wenn Iran auf eine weitere direkte Vergeltung verzichtet, handelte es sich aber nur um eine relative Deeskalation. Der seit Jahren währende Schlagabtausch zwischen Iran und Israel wird auf anderen Wegen weitergehen. Im Gazastreifen und in Libanon drängt die israelische Armee zwar derzeit machtvoll ihre mit Iran verbündeten Gegner zurück. Aber ein entscheidender Sieg hat sich – ungeachtet der Tötung zahlreicher Anführer von Hamas und Hizbullah in den vergangenen Wochen – daraus bislang nicht ergeben. Im Gegenteil: Die Hizbullah hat zuletzt wieder an Schlagkraft gewonnen und zieht inzwischen den gesamten Norden Israels durch ihren Beschuss in Mitleidenschaft. Auch am Samstag wurden wieder zahlreiche Raketen abgefeuert und Drohnen losgeschickt – etwa 80 bis zum Nachmittag, teilte das israelische Militär mit.
So gab es in Israel am Samstag auch schon Kritik, der nächtliche Militärschlag sei zu milde ausgefallen. Oppositionsführer Yair Lapid schrieb auf der Plattform X, es sei eine falsche Entscheidung gewesen, nicht auch strategische und wirtschaftliche Ziele anzugreifen. „Wir hätten Iran einen viel höheren Preis abverlangen können und sollen. Iran ist das Oberhaupt der Achse des Bösen und muss für seine Aggression einen hohen Preis zahlen“, schrieb Lapid.
Avigdor Lieberman, ebenfalls Chef einer Oppositionspartei, warnte ebenfalls auf der Plattform X, dass Iran sich weiter um Atomwaffen bemühen werde und auch weiter die Hamas, die Hizbullah und andere Milizen finanzieren werde. Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe sich aber damit zufriedengegeben, eine „Show“ zu bieten, anstatt zu zeigen, wie stark Israel wirklich sei.
Netanjahu und seine Koalitionspartner äußerten sich vorerst nicht zu der innenpolitischen Kritik oder zu den israelischen Angriffen generell, weil sie Schabbatruhe hielten. Auch dieses Timing ließ sich möglicherweise als Hinweis darauf verstehen, dass die Regierung in Jerusalem die Attacke nicht als Signal einer großen Eskalation verstanden wissen wollte.