Die Programmdirektorin der ARD, Christine Strobl, betrachtet die Diskussionskultur zum Fall Thilo Mischke kritisch. „Ich habe in den letzten Tagen schon das Gefühl gehabt, dass wir in einer sehr aufgeregten, sehr dynamisierten Form diskutiert haben. Ich wünsche mir, dass wir wieder zu einer Form zurückkommen, die nicht eine Debatte unmöglich macht“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Zuvor hatte die ARD am frühen Samstagnachmittag bekannt gegeben, dass sie eine Kehrtwende macht und den Journalisten Thilo Mischke doch nicht als Moderator für das ARD-Kulturmagazin „ttt – titel, thesen, temperamente“ einsetzen wird. Auch den mit ihm und der Podcasterin Jule Lobo geplanten „ttt“-Podcast wird es nicht geben.
„Diskussion nicht mehr möglich“
Christine Strobl, die nach eigenen Angaben nicht in den Entscheidungsprozess einbezogen war, sagte: „Die Entscheidung der Kulturchefinnen und -chefs beruht auf der Erkenntnis, dass eine Diskussion nicht mehr möglich ist. Und das finde ich einen problematischen Zustand, und das treibt mich sehr um.“ Ihr sei es wichtig, „dass wir jetzt wieder zu einer normalen Debattenkultur zurückkommen“.
Die ARD hatte zur Begründung für ihre Abkehr von Mischke mitgeteilt, die in den vergangenen Tagen entstandene „heftige Diskussion um die Personalie Thilo Mischke überschattet die für uns zentralen und relevanten Themen, die wir mit der Sendung und Marke ,ttt‘ transportieren und gemeinsam mit der Community diskutieren möchten so, dass dies nicht mehr möglich ist“.
Zuletzt hatte sich Kritik an dem Journalisten wegen dessen früherer Autorentätigkeit gemehrt, und Kulturschaffende verweigerten ihre Zusammenarbeit. Die Kritk richtet sich gegen sein Buch „In 80 Frauen um die Welt“ aus dem Jahr 2010 und gegen Äußerungen in einem Podcast im Jahr 2019, in dem er evolutionsbiologischen Nonsens verbreitete. Kritikerinnen halten ihm Sexismus und Frauenfeindlichkeit vor.
Er hatte die Neuauflage des Buches verhindert
Die ARD hatte darauf verwiesen, dass sich Mischke von seinem Buch distanziert und dessen Neuauflage verhindert habe. Er habe sich mit der Kritik intensiv auseinandergesetzt. Das Magazin „ttt“ stelle „sich gegen jede Form von Sexismus und Rassismus und steht, genauso wie Thilo Mischke, für Meinungsvielfalt und Toleranz.“ Seit der Veröffentlichung habe er sich „intensiv und selbstkritisch mit den Vorwürfen, darin ein sexistisches Frauenbild vermittelt und stellenweise rassistische Sprache benutzt zu haben, auseinandergesetzt“. Er habe sich „mehrfach öffentlich der Kritik gestellt und für seine Ausdrucksweise entschuldigt. Unter anderem in einem Podcast, den er im März 2021 veröffentlichte.“ Mischke distanziere sich „heute von Titel und Inhalt des Buches“ und habe „erstritten, dass dieses nicht wieder aufgelegt wird. Das respektieren wir“, hatte die ARD mitgeteilt. Man freue sich auf ihn als neuen Moderator von „ttt“.
„Mich beschäftigt die Wucht und die Dynamik der Debatte“, sagte die ARD-Programmdirektorin Christine Strobl im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Darüber müssen wir im Nachgang sowohl intern als auch mit den Beteiligten im Bereich der Medien- und Kulturbranche sprechen.“
Sie ergänzte: „Wenn ich in den letzten Tagen höre, dass mehrere anerkannte und beteiligte Personen aus der Branche sagen, sie trauen sich nicht mehr zu, in der Öffentlichkeit etwas zu dieser Debatte zu sagen, weil sie Angst haben, sich einem persönlichen Shitstorm auszusetzen – dann zeigt das für mich, dass wir eine Form der Debattenkultur erreicht haben, die ich problematisch finde und mit Sorge betrachte.“ Es sei Aufgabe des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks und besonders von „ttt“, Raum für Diskussion und kulturelle Vielfalt zu bieten.