Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, hat die Ergebnisse einer Studie zu rassistischen Erfahrungen in der Europäischen Union als „alarmierend“ bezeichnet. Die EU-Grundrechteagentur (FRA) befragte für eine Studie Menschen afrikanischer Herkunft in 13 EU-Ländern. Demnach gaben 76 Prozent der Befragten in Deutschland an, in den vergangenen fünf Jahren diskriminierende Erfahrungen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Migrationshintergrunds oder ihrer Religion gemacht zu haben, mehr als in jedem anderen der 13 Länder. Der Durchschnitt lag bei 45 Prozent.
Die Sozialdemokratin Alabali-Radovan sagte der F.A.Z.: „Es rächt sich, dass Rassismus zu lange ignoriert, verdrängt, als Einzelfall abgetan und der Nährboden und die Strukturen nicht entschieden genug bekämpft wurden.“ Wichtig sei, Prävention zu stärken, „auch mit Antirassismusarbeit als Teil der Aus-, Weiter- und Fortbildung für Lehrkräfte, Polizist*innen und Verwaltungen“. Sie erinnerte daran, dass es im Oktober den Auftakt gab für eine sogenannte community-basierte Beratung gegen Rassismus an 32 Standorten. Betroffene erhielten dort „Angebote zum Empowerment“, und dazu, „wie sie sich gegen Rassismus wehren können“.
Forschungsergebnisse bestätigt
Die Ergebnisse der Studie überraschen Fachleute nicht. Der Leiter des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung, Cihan Sinanoğlu, sagte, die Ergebnisse deckten sich mit eigenen Erkenntnissen, die bald veröffentlicht würden, und dem Afrozensus, einer community-basierten Forschung.
Er sieht die Gründe dafür in der deutschen Kolonialgeschichte, deren „rassistische Bilder und Diskurse“ sich fortschrieben und die – verglichen mit Frankreich oder dem Vereinigten Königreich – erst langsam aufgearbeitet würden. Durch die Migration nach Deutschland würden derartige Diskurse aktualisiert. Den Anstieg der Rassismuserfahrungen bringt er auch mit einem „Rechtsruck“ in Verbindung, „den wir in der Gesellschaft spüren“.
Ähnlich äußerte sich Lorenz Narku Laing, Sozialwissenschaftler an der Evangelischen Hochschule Bochum. Die deutsche Gesellschaft habe erst spät anerkannt, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein. Zudem habe das Bewusstsein der Betroffenen für ihre Erfahrungen durch die verstärkte öffentliche Thematisierung zugenommen. Narku Laing fordert die Politik zum Handeln auf. Es müsse endlich ein Antidiskriminierungsgesetz geschaffen werden, das diesen Namen verdiene.