Die rund zweieinhalb Jahre währende Phase, in der Bestandsimmobilien in Paris und anderen französischen Landesteilen immer günstiger wurden, ist beendet. Das zumindest lässt sich neuen Zahlen der führenden Immobilienportale Seloger und Meilleurs Agents entnehmen und deckt sich mit der Entwicklung in Deutschland. Mit landesweit 756.000 Transaktionen sei im August die Talsohle auf dem französischen Markt erreicht worden, erklärten die Analysten der beiden Portale am Dienstag.
Grundlage ihrer Berechnungen sind die abgeschlossenen „compromis de vente“. Das lässt sich mit „Vorvertrag“ übersetzen, ist aber viel weitreichender, als es im Deutschen klingt. So verpflichtet sich der Verkäufer mit der Unterschrift unter dieses Dokument, die betreffende Immobilie zum vereinbarten Preis an den Käufer zu veräußern, der wiederum nur bei gescheiterter Finanzierung einen Rückzieher machen darf. Da der „compromis de vente“ in Frankreich nicht notariell beurkundet werden muss, greifen Seloger und Meilleurs Agents den Zahlen der Notarkammern immer vorweg. Für Ende des Jahres erwarten die Portale einen Anstieg auf 771.000 Transaktionen.
Preislich scheint die Talsohle auf dem französischen Immobilienmarkt schon durchschritten. Seloger und Meilleurs Agents verorten sie im April. Seither zögen die Preise im landesweiten Mittel wieder an. In Paris müsse man aktuell durchschnittlich rund 9300 Euro je Quadratmeter zahlen. Dort war der Preisverfall besonders ausgeprägt und rund doppelt so stark wie in der Finanzkrise, nachdem in der Vergangenheit die 10.000-Euro-Marke geknackt worden war. Unter die Marke von 9000 Euro fiel der Durchschnittspreis jedoch nicht, anders als von manchen erwartet.
Deutlich weniger als im Dezember
Schon vor April dieses Jahres angezogen haben die Preise in Nizza. Rund 5200 Euro sind dort aktuell im Mittel fällig je Quadratmeter. Damit vergrößert sich der Abstand zu der vormals zweitteuersten französischen Stadt Lyon, die inzwischen nur noch knapp vor Bordeaux rangiert. Ähnlich stark angezogen wie Nizza haben in der Reihe der französischen Großstädte zuletzt die Preise in Rennes in der Bretagne. Ähnlich stark gesunken wie in Lyon sind dagegen die Preise in Nantes weiter südlich von Rennes.
Als Hauptgrund für die Belebung des Immobilienmarkts gelten die sinkenden Zinsen. Sie erleichtern die Finanzierungsbedingungen für Haushalte und betrugen für Wohnungskredite in Frankreich im Juli durchschnittlich 3,62 Prozent, folgt man der Beobachtungsstelle Crédit Logement-CSA. Das ist etwas weniger, als im Juni (3,66 Prozent) und deutlich weniger als noch im vergangenen Dezember fällig wurden (4,2 Prozent). Diese Entwicklung ist nicht ganz deckungsgleich mit der in Deutschland und anderen Eurostaaten, da es in Frankreich nur ganz selten Immobilienkredite mit variabler Verzinsung gibt.
Das verschärft den Preisauftrieb zusätzlich
Weil die EZB die Zinsen weiter senken dürfte, gehen die Analysten von Seloger und Meilleurs Agents 2025 von einer „neuen Dynamik“ auf dem Immobilienmarkt aus. Die Kaufkraft der französischen Haushalte wird nach ihrer Prognose im kommenden Jahr wieder das Niveau von 2022 erreichen. Die Immobilienpreise dürften weiter anziehen, und die Zahl der Transaktionen 2025 auf rund 900.000 steigen.
Das hat auch Folgen für den Mietwohnungsmarkt, auf dem das Angebot vor allem in Paris zuletzt drastisch eingebrochen ist – in erster Linie, weil durch die Zinswende für viele Erstkäufer der Traum vom Eigentum geplatzt ist. Viele Haushalte sind deshalb länger in ihrer Wohnung zur Miete geblieben und weniger Objekte als in der Vergangenheit sind zur Neuvermietung auf den Markt gekommen.
Die Immobilienportale gehen davon aus, dass das Mietwohnungsangebot in Frankreich sich nun auf niedrigem Niveau stabilisiert und perspektivisch leicht steigt. Obwohl wie in Deutschland ein Politikum, sind sinkende Mietpreise jedoch nicht zu erwarten. „Heute steigen die Mieten in Frankreich stärker als die Inflation“, konstatieren Seloger und Meilleurs Agents.
Neben der Zinswende reduziert auch das Vermietungsverbot bei schlechter Energieeffizienz das Angebot auf dem französischen Mietwohnungsmarkt. Das verschärft den Preisauftrieb zusätzlich. Gleiches gilt für Mietpreisbremsen, die die Vermietung bei steigenden Instandhaltungskosten zunehmend unattraktiv machen. Den Krisencocktail komplettierten in Paris die Olympischen Spiele, deretwegen sich viele Vermieter gegen eine reguläre Neuvermietung und für saisonale Vermietungen entschieden.