Gegen viertel vor zwei Uhr in der Nacht zum Sonntag ertönten die Warnsirenen am Toten Meer. Auch in Jerusalem und im südlichen Teil des Westjordanlands, im Norden Israels sowie in Teilen der Negev-Wüste im Süden wurde Alarm ausgelöst. In Jerusalem und mehreren anderen Städten waren Detonationen in der Luft zu hören. Der iranische Angriff auf Israel, der seit Tagen als Drohung im Raum gestanden war, hatte begonnen. Das Regime in Teheran wollte damit die Tötung eines ranghohen Kommandeurs der Revolutionsgarde vergelten, der in Damaskus vor eineinhalb Wochen ums Leben gekommen war, durch einen mutmaßlich von Israel ausgehenden Angriff.
Armeesprecher Daniel Hagari trat um drei Uhr vor die Kamera. Der Angriff sei eine „massive Eskalation“, sagte er. „Iran hat heute Nacht einen großangelegten koordinierten Angriff auf Israel durchgeführt.“ Ein „massiver Schwarm“ von mehr als 200 „Killerdrohnen“ und Raketen unterschiedlichen Typs sei abgefeuert worden. Israel habe den allergrößten Teil der Flugobjekte und Geschosse in Zusammenarbeit mit seinen Verbündeten abgefangen; der Angriff dauere zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings immer noch an.
Eine „schwere und gefährliche Eskalation“
Die meisten Raketen und Drohnen wurden offenbar außerhalb israelischen Territoriums zerstört. Die Vereinigten Staaten und Großbritannien teilten mit, sie hätten sich an den Abwehrmaßnahmen beteiligt. Auch Jordanien soll Dutzende iranische Drohnen über seinem Territorium abgeschossen haben, bevor sie Israel erreichten, hieß es in Medienberichten. Laut Angaben Hagaris gab es lediglich kleinere Schäden auf einer Militärbasis in Israel. Tote gab es nicht, ein kleines Mädchen sei verwundet worden.
In den Stunden zuvor hatte sich die Lage dramatisch entwickelt. Gegen 23 Uhr Ortszeit am Samstagabend bestätigte die israelische Armee, dass Iran „unbemannte Luftfahrzeuge von seinem Territorium in Richtung des Territoriums des Staates Israel“ gestartet habe. Die Armee sei in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden und überwache alle Ziele, hieß es. Kurz darauf verbreiteten iranische Medien eine Mitteilung der Revolutionsgarde: Man habe einen Angriff auf Israel mit „Dutzenden Drohnen und Raketen“ gestartet.
Armeesprecher Hagari sagte gegen Mitternacht in einem ersten Statement, dies sei eine „schwere und gefährliche Eskalation“. Die israelische Raketenabwehr sei indessen „voll funktionsfähig“, die Armee werde mit allen Kräften Land und Volk verteidigen. Bewohner der Golanhöhen im Norden und in südlichen Regionen wurden angewiesen, sich in der Nähe von Bunkern oder Schutzräumen aufzuhalten.
In Tel Aviv kam das israelische Kriegskabinett zusammen. Etwa zur selben Zeit bestellte in Washington Joe Biden ranghohe Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrats in den Situation Room des Weißen Hauses, um die Lage zu erörtern. Eine Sprecherin des Sicherheitsrats bekräftigte die Position des Präsidenten, dass seine Unterstützung für Israels Sicherheit „unumstößlich“ sei. „Die Vereinigten Staaten werden an der Seite des israelischen Volkes stehen und es in der Verteidigung gegen diese Bedrohungen durch Iran unterstützen.“ Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilte auf seinem Flug in Richtung China den iranischen Angriff „aufs aller Schärfste“.
Eskalation betrifft die ganze Region
Anscheinend blieb es nicht bei den Drohnen: Wie iranische Staatsmedien etwas später verkündeten, seien auch ballistische Raketen auf Israel abgefeuert worden. Hagari bestätigte dies später.
Der Angriff war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ein ausschließlich iranischer. Die aus Teheran unterstützte Huthi-Miliz in Jemen schaltete sich einem Bericht zufolge ein und feuerte ebenfalls Raketen in Richtung Israels ab. Auch die Hizbullah beteiligte sich an der Angriffswelle: Die libanesische Miliz beschoss laut eigenen Angaben eine Armeebasis auf den Golanhöhen.