Mehr als 170 öffentlich-rechtliche Webchannels, inklusive Simultanübertragungen, und eine nicht mehr nachvollziehbare, stetig steigende Zahl öffentlich-rechtlicher Podcast- und Audio-on-Demand-Angebote verstärken im digitalen Bereich den Druck auf die privaten Anbieter. Dazu kommen, wie die Evangelische Presseagentur unlängst ermittelt hat, rund 700 bis 800 Social-Media-Kanäle, die ebenfalls der Programmverbreitung dienen. Einige ARD-Anstalten versuchen zudem anscheinend mit Podcasts das Werbeverbot in Telemedien zu umgehen, indem sie ihre Werbetöchter damit befassen, wie die F.A.Z. dokumentiert hat. Um eine weitere Torpedierung ihrer Geschäftsfelder zu stoppen, fordern die Privatsender, dass die Bundesländer mit dem nächsten Medienstaatsvertrag digitale öffentlich-rechtliche Audioangebote umgrenzen, wie das bei UKW und dem Digitalradio DAB+ der Fall ist.
Manche Vorwürfe schon länger bekannt
Doch wie der Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein, Dirk Schrödter, im Gespräch mit der F.A.Z. erkennen ließ, sehen die Länder – trotz eindeutiger Indizien – keinen Grund, zu handeln. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssten angesichts der veränderten Mediennutzung der Menschen mehr anbieten können als nur lineare terrestrische Radioprogramme. Allerdings, so der CDU-Politiker mit Blick auf die aktuelle Beitrags- und Reformdebatte, sei es wichtig, wie bei der Deckelung der linearen Hörfunkprogramme ein faires Miteinander für die Audioangebote im Netz zu erreichen. Deshalb müssten neben der Entwicklungsgarantie für die Öffentlich-Rechtlichen auch zwingend die wirtschaftlichen Belange der privaten Anbieter beachtet werden. Das sei eine Selbstverständlichkeit und gelte ohne Abstriche.
Die Vorwürfe, dass die ARD anscheinend versuche, das Onlinewerbeverbot zu umgehen, seien im Länderkreis zum Teil bekannt, sagt Schrödter. Verschiedene Rechtsaufsichtsbeschwerden seien bereits anhängig (WDR, RBB, MDR). Die Klärung erfolge auf Fachebene unter Vorsitz von Schleswig-Holstein in Gesprächen mit den Verbänden der Privaten. „Wenn es tatsächlich Entwicklungen gibt, die nachweislich private Anbieter in wirtschaftlich schwieriges Fahrwasser bringen und die bestehenden Regeln nicht ausreichen, werden wir unsere staatsvertraglichen Regelungen anpassen müssen“, sagt Schrödter. Er verweist darauf, dass es in der Vergangenheit 23 Rundfunkänderungsstaatsverträge und inzwischen auch schon vier Änderungen des Medienstaatsvertrags gab. Entsprechende Regelungen an aktuelle Gegebenheiten anzupassen sei also ein ständiger Prozess. Vorher müsse jedoch die Notwendigkeit festgestellt werden.
Die Rolle der Lokalberichterstattung
Den ARD-Sendern ist nicht nur Werbung online verboten, sondern auch eine flächendeckende lokale Berichterstattung. Doch laut Aussagen privater Radioveranstalter und regionaler Verlagshäuser nimmt die lokale Information online und bei den Hörfunkangeboten zu. „Die rechtliche Ausgangslage ist klar“, sagt Schrödter zu dieser Kritik. „Lokale Berichterstattung durch öffentlich-rechtliche Telemedienangebote darf nicht flächendeckend sein, muss sich inhaltlich also auf einzelne (herausragende) Ereignisse beziehen und sich räumlich auf einzelne Gebiete als Gegenstand der Berichterstattung beschränken.“
Das Problem der flächendecken lokalen Berichterstattung, die es eigentlich nicht geben dürfte, sei nicht neu, so der Staatskanzleichef. Diese Lokalberichterstattung und ihre Verbreitung über Onlineportale könnten zur Konkurrenz für Tageszeitungen und private Hörfunkanbieter werden und diese wirtschaftlich gefährden. Das sei der Grund für das klare gesetzliche Verbot. Zurzeit sehe er hier aber keinen Grund, etwas zu unternehmen, da die entsprechende Regelung im Medienstaatsvertrag bereits eindeutig sei. Ungeachtet dessen seien die Länder auf Fachebene mit den privaten Medien im Gespräch und beobachteten die Entwicklung. Gleichzeitig stelle er fest, dass die regionale Medienvielfalt immer weiter abnehme. Das sei für die Demokratie eine gefährliche Entwicklung. Aus diesem Grund müssten, wenn der Markt keine Angebote bereithalte, neue innovative Lösungen gefunden werden. Hier sehe er alle Anbieter, ob privat oder öffentlich-rechtlich, in der Pflicht, sagte Schrödter.