Autogramme schreiben, für Selfies posieren, sich dann vom Teambus aus radelnd einen Weg durch die Menschenmenge bahnen bis zur Bühne; ins Publikum winken, einschreiben für die Etappe, wieder durch die Menschenmenge; warten am Bus, wieder durch die Menschenmenge zum Start am Place Halmagrand in Orléans. Das genaue Gegenteil des Lebens eines Profifußballers, der schon am Tag vor dem Spiel komplett abgeschirmt wird. Arbeitsalltag für Simon Geschke – in den für ihn wichtigsten und verrücktesten drei Wochen des Jahres.
Der deutsche Tour-Veteran erinnert sich noch, mit welch großen Augen er als Jungprofi Trubel und Lautstärke, Wucht und auch Niveau bei seiner ersten Teilnahme an der Frankreich-Rundfahrt im Jahr 2009 aufgesogen hat. Nun ist er zum zwölften und letzten Mal dabei. Zum Jahresende beendet er seine Karriere. „Die Leute stehen damals wie heute oft im Wege rum. Aber nach den Etappen ist es meist noch schlimmer“, sagt er lachend im Gespräch mit der F.A.Z., am Bus seiner Equipe Cofidis lehnend.
Was er vermissen wird, wenn er seine Sommer nicht mehr strampelnd und schwitzend in Frankreich verbringt? Vielleicht sei es „dieser ganze Trubel hier“, sagt er sinnierend, „die Tour ist das, wovon ich als Kind geträumt habe und für die ich mich nach oben gekämpft habe.“ Es gibt auch Dinge in seinem Sport, die er nicht vermissen wird. Die Schinderei im Training hin zur Topform oder auch Flachetappen wie am Dienstag, wo es für Fahrertypen wie ihn nur schnöde „irgendwie von A nach B geht“.
Sternstunden bei der Tour
Eben noch in der Champagne, dann Orléans, am Mittwoch im Zentralmassiv – Geschke weiß meist nicht, wo er sich geographisch genau befindet. Im Sattel sitzend ist sein Blick vorwiegend auf gebeugte Radfahrerkörper in voller Fahrt vor und neben ihm gerichtet. Doch Geschke wäre nicht Geschke, wenn er den Ausbruch aus dem Peloton nicht schon planen würde.
An diesem Mittwoch führt ihn die Etappe über 211 Kilometern nach Le Lioran durch eine bergige Landschaft. Am Wochenende stehen lange Anstiege in den Pyrenäen auf dem Programm. Tage, an denen jemand in einer starken Ausreißergruppe gute Chancen hat, eine Etappe zu gewinnen. Geschke-Terrain. Zumal in der zweiten und dritten Rennwoche, wenn andere ihr Pulver schon verschossen haben, der zähe Geschke munter wird.
The Berlin native, who has settled in Freiburg, experienced his finest moments in the Tour two years ago. The man who made the full beard acceptable in the peloton became the television face of the Tour de France. Because he regularly made it into breakaway groups, grabbed the polka dot jersey of the best climber and defended it, sometimes suffering greatly on the bike. On the last mountain stage, however, he had to hand over the beloved shirt to overall winner Jonas Vingegaard, who pocketed it as he went. Geschke cried tears of disappointment – he would have been the first German to wear the climber jersey in Paris.
Almost seven years to the day, the man from Breisgau shed tears of joy. As a soloist in 2015, he had reached the finish line of a difficult mountain stage in Pra Loup before anyone else. A victory that shaped his career. “Say a proper au revoir” or “put a little more pressure on the pedals in the Tour” are typical Geschke thoughts, expressed with the calm and composure of someone who seems to be at peace with himself and his long career in competitive sport. “I'm glad that I can still get myself into this shape at 38,” he said in an interview with the FAZ a few days before the Grand Départ.
So far 61 racing days and almost 10,000 kilometers
In his last year as a professional, Geschke is riding the tough (farewell) tour as a frequent rider. So far, he has completed 61 race days and almost 10,000 kilometers at racing speed. And not in run-of-the-mill races, but in the biggest competitions in his sport. In May, his focus was initially on the Giro d'Italia, where he achieved his best result in the classification in his 19th participation in a major national tour: although he initially did not aim for the overall ranking, as usual, he reached Rome in fourteenth place.
That gave him enough momentum to tackle the challenging Tour de France. His French team Cofidis does not want to do without the German long-time favorite, who is taking part in the Tour de France for the tenth time in a row. When he first set out in 2009, his sport was “almost despised” in Germany after many doping cases were discovered, even among German riders, as he says. Geschke will complete his last tour as a hugely respected cyclist.