An diesem Mittwoch geht ein Angebot an den Start, dem man ohne Übertreibung eine „schwere Geburt“ attestieren kann: Deutschlands neue offizielle Onlinevergleichsplattform für Girokonten. Eine europäische Vorgabe hatte eigentlich vorgesehen, dass eine solche Möglichkeit zum Konditionenvergleichen allen Verbrauchern schon zum 31. Oktober 2018 zur Verfügung stehen sollte – das war die Zeit, als Olaf Scholz (SPD) noch Bundesfinanzminister war. In der Anfangszeit hatte die Bundesregierung überlegt, diese Plattform gemeinsam mit privaten Anbietern wie Check24 oder Verivox aufzubauen, und für diese ein entsprechendes Zertifizierungsverfahren entwickelt.
Am Ende aber beschloss Berlin nach allerhand Hin und Her und sogar rechtlichen Auseinandersetzungen, diese wichtige Aufgabe könne wohl doch nur der Staat selbst übernehmen. Und betraute die Bankenaufsichtsbehörde Bafin damit.
Fast 6900 verschiedene Kontomodelle
Jetzt geht die Plattform online und ist im Internet unter kontenvergleich.bafin.de zu finden. Die Behörde wirbt damit, über ein besonders umfassendes Datenangebot zu verfügen. Fast 6900 Kontomodelle von rund 1100 Banken und Sparkassen in Deutschland seien in dem Vergleich enthalten. Anders als private Vergleichsplattformen kann die Aufsicht die Banken schließlich zur Meldung von Daten verpflichten, das soll in dieser Hinsicht für ein umfassenderes Bild sorgen.
Zudem hebt die Bafin hervor, dass sie keine finanziellen Interessen mit der Sache verfolge. Das war ein Kritikpunkt an privaten Vergleichsplattformen gewesen: Es war zumindest immer wieder die Frage aufgetaucht, ob ein Eigeninteresse der Plattformen an Provisionen Auswirkungen auf die Aussagekraft der Vergleiche für die Verbraucher haben könnte. Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) sprach von einer guten Nachricht für alle Verbraucher, Umwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) von einem „großen Fortschritt“.
Wer die Internetseite aufruft, dem fällt eine große Zahl von Voreinstellungsmöglichkeiten auf. Es sind mehr als 50 Kriterien. Man muss das nicht alles benutzen, aber es werden schon auch viele Dinge abgefragt, über die sich der Laie womöglich noch gar keine Meinung gebildet hatte. Klar, möchten die meisten wohl eine möglichst niedrige monatliche Kontoführungsgebühr haben, am besten ein Gratisgirokonto. Auch mindestens eine Karte zum Geldabheben und Bezahlen braucht man wohl.
Und wer sein Konto häufig überzieht, dem ist vermutlich wichtig, dass die Dispozinsen für die Kontoüberziehung nicht astronomisch hoch ausfallen. Für alle diese Dinge gibt es Möglichkeiten, einen Filter einzustellen. Für die Kontoführungsgebühr beispielsweise kann man sich einen monatlichen Betrag zwischen 0 und 60 Euro wünschen. Für die Dispozinsen kann man eingeben, wo die Obergrenze sein soll – die Werte reichen hoch bis zu stolzen 17,3 Prozent im Jahr.
Kein generelles Ranking der besten Konten
Von Girokontenvergleichen der Stiftung Warentest ist man gewohnt, dass es dann am Ende ein Ranking der zehn günstigsten Girokonten gibt, oder einen kleinen Überblick nach dem Motto „Diese Girokonten sind wirklich noch kostenlos“. So arbeitet die Bafin allerdings nicht. Ein Bafin-Sprecher sagte: „Daran kann man den signifikanten Unterschied zwischen Stiftung Warentest und dem Bafin-Kontenvergleich festmachen: Die Stiftung Warentest startet mit einer deutlich geringeren Grundgesamtheit und legt außerdem eigene Maßstäbe an – sie bewertet, was wir nicht tun.“
Für den, der auf dem neuen Portal seine Kriterien eingibt, wird zunächst eine Liste mit Banken in alphabetischer Reihenfolge ausgespuckt. Sie kann, wenn man die Kriterien zu grob wählt, auch schon mal 227 Kontomodelle umfassen. Man kann die Kriterien dann verfeinern, die Daten sortieren und diverse Zusatzfunktionen einsetzen, indem man zum Beispiel eine Postleitzahl für die Filiale eingibt – oder sich über solche Dinge Gedanken macht, wie ob einem die Möglichkeit des Bezahlens mit Kreditkarte in Fremdwährungen wichtig ist, oder die beleglose Änderung eines Dauerauftrags. Auch dann gibt es wieder eine Liste.
Anders als bei manchen kommerziellen Girokontenvergleichen wird man am Ende nicht gleich an eine Bank weitergeleitet, wenn man seinen Favoriten gefunden hat. Da hat das Behördenhafte dann Vorteile: Man hat nicht den Eindruck, dass es statt des Vergleichs nur ums Vermitteln und Verkaufen geht. Dafür ist es etwas umständlicher, noch mal extra mit den infrage kommenden Banken Kontakt aufzunehmen.
Die Bafin hebt hervor, sie wolle „Transparenz“ auf dem Markt schaffen – und nicht Empfehlungen geben. Das klingt zunächst nicht schlecht. Allerdings gehört es zu den Besonderheiten des Girokontenmarktes, dass die Banken sich im Laufe der Zeit immer mehr Möglichkeiten ausgedacht haben, die Kostenstruktur der Konten komplizierter und damit schwerer vergleichbar zu machen, wie Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sagt. Komplexitätsreduzierung im richtigen Maße ist fast der entscheidende Punkt. Wer beispielsweise denkt, am wichtigsten sei, dass das Konto keine monatlichen Gebühren kostet, kann in eine Falle laufen, wenn er für einzelne Buchungen, fürs Geldabheben oder die Kreditkarte so viel zahlt, dass ein anderes Kontomodell besser gewesen wäre.
Umgekehrt halten sich die Dispozinsen für die Kontoüberziehung vermutlich trotz intensiven Bankenwettbewerbs in Deutschland nur deshalb in solch einer Höhe, weil die Leute, wenn sie die Bank für ihr Girokonto auswählen, zu wenig auf dieses Kriterium achten. Vielleicht auch, weil sie die Wahrscheinlichkeit unterschätzen, mit dem Konto in die Miesen zu geraten. Dieses Abwägen der verschiedenen Kostenelemente eines Girokontos unter den persönlichen Lebensumständen ist das Komplizierte. Das schafft der Vergleich auch nicht richtig.
Konten-Spitzenreiter der Stiftung Warentest
Ein paar Informationen dazu noch aus dem jüngsten Girokontovergleich der Stiftung Warentest. Dort wurden 650 Kontomodelle von 180 Banken verglichen, jedes davon mit mehreren Dutzend Merkmalen. Um die Komplexität zu reduzieren, wurden bestimmte Beispielkunden konstruiert. Die jährlichen Kosten für die Musterkunden reichten je nach Bank von 0 bis etwa 300 Euro im Jahr, 60 Euro seien „günstig“. Zehn nennt dieser Vergleich nach definierten Kriterien „ohne Bedingungen gratis“ – darunter das Smartkonto der Bank C24, das Edeka-Konto der Edekabank, das Online-Only-Konto der Raiffeisenbank im Hochtaunus, das Standardkonto von N26, das Girokonto der Openbank, das Best-Giro von Santander, das Giro der Sparda-Bank Hessen, das Easy-Giro-Online der VR Bank Dreieich-Offenbach, das Mein-Giro-Direkt der VR Bank Niederbayern-Oberpfalz und das Brawo-Mein-Konto der Volksbank Braunschweig Wolfsburg.
Die privaten Konkurrenten der neuen Bafin-Vergleichsseite murren ein bisschen, dass der Staat sich jetzt um Dinge kümmere, die Private auch erledigen können – geben sich ansonsten aber gelassen. Bei Tagesvergleich.net monierte man die Unübersichtlichkeit des neuen Vergleichs. „Wir konzentrieren uns weiterhin zu 100 Prozent auf uns“, sagte Check-24-Geschäftsführer Tim Koniarski: „Insbesondere die Einfachheit des Check-24-Girokontowechsels ist einer der Haupttreiber, den Vergleich zu nutzen.“ Dass allein die Bafin das Vergleichsportal aufbaue und betreiben werde, sei „eine Fehlentscheidung“, meinte Daniel Puschmann von Verivox.