Es war ein ausgelassener Jubel, der für einige Momente keine Grenzen kannte. Johannes Voigtmann rannte mit ausgebreiteten Armen über das Parkett in Manila, Johannes Thiemann sprang Daniel Theis auf den Rücken, Andreas Obst wurde auf dem Bogen liegend von seinen Mitspielern begraben. Es war ein Jubel, in dem dessen historischer Anlass mitschwang.
Dank einer beeindruckenden Leistung und eines 113:111-Sieges gegen die USA zog die deutsche Basketballnationalmannschaft am Freitagabend in Manila in das erste WM-Finale ihrer Geschichte ein. Dort trifft sie am Sonntag (14.40 Uhr MESZ im ZDF und bei Magenta Sport) auf Serbien, das zuvor im ersten Halbfinale Kanada bezwungen hatte. Im Spiel um Platz drei treffen die USA ebenfalls am Sonntag (10.30 Uhr MESZ bei Magenta Sport) auf Kanada.
Franz Wagner in Anfangsformation
Als entscheidendes Element hatte Bundestrainer Gordon Herbert im Vorfeld der Partie gegen die favorisiert USA den Start ins Spiel ausgemacht. Wohlwissend, dass seine Mannschaft mit diesem in den vergangenen Partien stets Probleme hatte, rotierte der Bundestrainer Franz Wagner zurück in die Anfangsformation.
Die Impulse setzte zu Beginn allerdings ein anderer: Andreas Obst, einer der besten Distanzschützen Europas und auch dieser WM, verwandelte seine ersten beiden Würfe von hinter der Dreierlinie, ehe er beim Hochsteigen zu seinem dritten gefoult wurde. Obst zeigte sich auch von der Freiwurflinie sicher, hatte nach rund vier gespielten neun Punkte erzielt. Mit 17:11 führte die Deutsche Mannschaft nach einer Anfangsphase, in der vielmehr die US-Auswahl von Startproblemen geplagt war.
Auffällig war hierbei auch die Reaktion von Dennis Schröder auf dessen desolaten Auftritt im Viertelfinale gegen Lettland. Nur vier erfolgreiche Würfe aus dem Feld bei 22 Fehlversuchen hatten da wie ein Rückfall in alte, teils zu kopflose Zeiten gewirkt und Schröder viel Kritik eingebracht. Gegen die USA zeigte Deutschlands Kapitän und Dirigent sein anderes, gereiftes Gesicht. Nur fünf Würfe nahm Schröder sich in der gesamten ersten Halbzeit, traf dabei zwei Dreier und konzentrierte sich ansonsten weitestgehend auf das Orchestrieren des Spiels seiner Mannschaft.
Die zeigte zumindest offensiv beeindruckend konstant eine glänzende Leistung. Franz Wagner dunkte kraftvoll über den hünenhaften Jaren Jackson Jr. und traf seine Dreier, Daniel Theis blockte hinten und dunkte vorne, Johannes Thiemann brachte wie zuletzt die Impulse von der Bank. Hinzukam ein wiedererstarkter Johannes Voigtmann der nach Offensivrebound, einem ihm kraftvoll platzschaffenden Dribbling und einfachem Korbleger so enthusiastisch jubelte, wie sonst nie.
Und dennoch bleib die USA dran, verkürzte ihren Rückstand ein ums andere Mal, ging mit 60:58 in Führung. Der treffsichere Mikal Bridges, der athletische Anthony Edwards, der auf den Philippinen besonders umjubelte Austin Reaves, ihn allen gelang es ein ums andere Mal teils spielerisch, an ihren deutschen Gegenspielern vorbei zum Korb zu ziehen. Es war die offensichtliche Stellschraube, die es für Bundestrainer Herbert und seine Mannschaft in der Halbzeitpause nachzujustieren galt.
Es war eine Aufgabe, die Herbert, der bei dieser WM an seiner Seitenlinie ohnehin sehr viel richtig macht, zu lösen wusste. Kaum hatte das dritte Viertel begonnen, da zwang die deutsche Mannschaft die der USA prompt zu mehreren Ballverluste. Hinzukam, dass sich sämtliche Sorgen um die Nachhaltigkeit des deutschen Offensivflusses als unbegründet erwiesen. Theis und Schröder leisteten dabei per Mitteldistanz und Dreier Vorarbeit für den dauerhaft gefährlichen Andi Obst.
Der gebürtige Hallenser machte auf der größtmöglichen Bühne das Spiel seines Lebens. Obst zog zum Korb, traf aus der Mitteldistanz, von hinter der Dreierlinie und bewies Nervenstärke von der Freiwurflinie. Als Dennis Schröder Deutschland mit dem Ende des dritten Viertels mit 94:84 in Führung brachte, hatte Obst das Gros seiner insgesamt 24 Punkte bereits erzielt. Als er kurz darauf das Abschlussviertel mit zwei Freiwürfen eröffnete, hallte es „MVP“-Sprechchöre von den Rängen.
Das vierte Viertel wurde anschließend zu einem Krimi, in dem sich die USA nicht aufgab, das Spiel noch einmal denkbar eng machte. Aber auch dieses Mal bewies die deutsche Auswahl ihre Resilienz, gab ihre Führung nicht aus der Hand. Andreas Obst traf seinen letzten Dreier, Dennis Schröder (17 Punkte) seinen letzten Wurf, kurz darauf brach der Jubel aus.
Rund 46 Stunden bleiben der deutschen Mannschaft nun, um sich auf das wahrscheinlich größte Spiel in der Geschichte des deutschen Basketballs vorzubereiten. Den beeindruckenden Erfolg gegen die USA nicht vergessen, aber doch abhaken, dann den Fokus auf Serbien richten. Hierbei wird auffallen: Es wartet ein Duell mit einem alten Bekannten. 1993 führte Svetislav Pesic die Nationalmannschaft überraschend zum EM-Sieg, Deutschlands bis dato einziger internationalen Titel. Am Sonntag gilt es, den Trainer und seine serbische Auswahl im Duell um den zweiten, noch größeren zu schlagen.