FOCUS online: Herr Diederich, der FC Bayern ist einerseits ein mittelständisches Wirtschaftsunternehmen auf dem Weg zur Umsatzmilliarde, andererseits ein Fußballverein mit vielen Fans, die das „Mia san Mia“-Gefühl leben. Wie verbinden Sie Kommerz und Werte des Vereins?
Michael Diederich: Spätestens seit den 1970er-Jahren verbindet der FC Bayern wirtschaftliches Handeln mit einer engen Verbundenheit zu seinen heute 315.000 Mitgliedern und seinen Fans in München, in Bayern und auf der ganzen Welt. Diese Kombination schließt sich ja nicht aus. Im Gegenteil: sie macht den FC Bayern einzigartig und sichert uns den Erfolg.
Man kann sich gar nicht mehr vorstellen, dass Uli Hoeneß als Manager 1984 seinen Freund Karl-Heinz Rummenigge nach Italien verkaufen musste, um den FC Bayern schuldenfrei zu machen.
Diederich: Ja, das war sein bis dahin größter Transfer, er hat den FC Bayern damit ein gutes Stück nach vorne gebracht. Und Karl-Heinz ist ja zum Glück später zum FC Bayern zurückgekehrt. Für seine Weitsicht können wir Uli Hoeneß sehr dankbar sein. Aber auch in anderen Bereichen hat er den Verein unglaublich gut aufgestellt.
Inwiefern?
Diederich: Schauen Sie sich unsere Partner an, als Beispiele seien die Deutsche Telekom, adidas, Audi oder die Allianz erwähnt. Unsere Partnerschaften sind alle auf viele Jahre ausgelegt, nicht auf den schnellen Euro.
Bleiben wir beim Geld. Die Super League wird heiß diskutiert, aber deutsche Vereine wie Bayer Leverkusen, Borussia Dortmund oder RB Leipzig zeigen wenig Interesse. Auch der FC Bayern nicht. Locken nicht die Millionen?
Diederich: Dazu hat sich der FC Bayern ja schon mehrfach geäußert: Mit dem FC Bayern ist diese Super League nicht machbar. Wir stehen weiter fest zur Bundesliga und zu den europäischen Club-Wettbewerben unter dem Dach der UEFA. Wir haben mit der Reform der Champions League und der Klub-WM ohnehin zwei neue Formate, die in die Zukunft gerichtet sind. Dort wollen wir sportlich erfolgreich sein.
Die Super League zu gewinnen wäre ein Erfolg.
Diederich: Die Super League würde die Statik des europäischen Fußballs gefährden. Mir erschließt sich die Attraktivität der Super League ohnehin nicht richtig. Wir spielen doch in der Champion League sowieso schon regelmäßig gegen die europäischen Top-Teams.
Wie wollen Sie als Unternehmen dann wachsen?
Diederich: Wir sind ein internationaler Club, eine internationale Marke und wollen die Bundesliga repräsentieren. Das machen wir durch Touren nach Asien oder in die USA. Aber auch andere müssen noch mehr tun, um den deutschen Fußball zu stärken. Zusätzliches Renommee würde uns am Ende auch wirtschaftlich helfen und diese Aufgabe sollte nicht nur auf den Schultern des FC Bayern und von Borussia Dortmund liegen. Gerade im Wettbewerb mit der Premier League, die hier viel aktiver unterwegs ist, hat die DFL noch viel zu tun.
Für den Kapitän der englischen Nationalmannschaft hat Bayern München 100 Millionen Euro ausgegeben. Ein finanzieller Erfolg?
Diederich: Erst einmal betrachte ich die sportliche Komponente. Es gibt nicht viele Mittelstürmer auf Weltniveau und wir sind froh und glücklich, dass Harry Kane bei uns ist. Waren Sie beim ersten Spiel von ihm dabei? Als er eingewechselt wurde und das gesamte Stadion seinen Namen gerufen hat, bekam ich Gänsehaut. Er bricht Torrekord um Torrekord, aber er ist nicht nur ein herausragender Stürmer, sondern auch ein unfassbar netter Kerl.
Und wie sieht es wirtschaftlich aus?
Diederich: Allein die Trikotverkäufe sind unglaublich. Als wir uns Freitagabend mit ihm vertraglich geeinigt hatten, hat unser Merchandising-Team die gesamte Nacht Trikots beflockt, damit wir am Samstag unsere Shops aufmachen und zigtausende Kane-Trikots verkaufen konnten. Ein unglaublicher Spirit des gesamten Teams!
Zudem hilft er uns enorm auf unseren digitalen Plattformen. Wir sind auf unseren Social-Media-Kanälen alleine am Transferwochenende um eine halbe Million Follower gewachsen, unsere Videoinhalte mit Harry generierten über 220 Millionen Views. Aber in all der Kane-Euphorie vergessen wir einen anderen Spieler.
Das Comeback von Manuel Neuer?
Diederich: Darüber sind wir alle natürlich auch sehr glücklich, aber gerade meinte ich Min-jae Kim. In Südkorea ist er ein Volksheld und durch seine Verpflichtung erfährt der FC Bayern dort eine ganz andere Aufmerksamkeit.
Der FC Bayern rühmt sich seit vielen Jahren, ein üppiges Festgeldkonto zu haben. Wie legen Sie mehr als 500 Millionen Euro Eigenkapital an?
Diederich: Ich bin froh, dass wir erstmals seit einer Dekade positive Realzinsen haben. Das hilft uns natürlich bei der Anlage unserer Gelder. Und das Festgeldkonto gibt es nach wie vor.
Bevor Sie am 1. April 2023 zum FC Bayern gewechselt sind, waren Sie Vorstandsvorsitzender bei der UniCredit in Deutschland. Der Draht zwischen der HypoVereinsbank und dem FC Bayern war ja schon immer sehr eng, oder?
Diederich: Ganz genau. Zehn Jahre war es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der FC Bayern das Geld bei dieser Bank anlegt. Und nun schaue ich, dass es möglichst viele Früchte trägt.
Was hat Sie persönlich zu diesem Schritt bewogen, die UniCredit zu verlassen?
Diederich: Seit 2017 bin ich im Aufsichtsrat des FC Bayern, die Kontakte sind entsprechend eng. Ich war mit meiner Familie im Urlaub und beim Strandspaziergang, als mich der Aufsichtsratschef Herbert Hainer anrief. Er fragte mich, ob ich mir einen Wechsel vorstellen könne. Ich bin eigentlich kein sehr spontaner Mensch, aber im Laufe des Gesprächs habe ich direkt zugesagt.
Und was meinte Ihre Familie dazu?
Diederich: Meine Frau wollte zuerst wissen, mit wem ich telefoniert hatte. Ich habe es ihr gesagt und vom Jobangebot erzählt. Und dann fragte sie mich: „Du hast doch am Ende zugesagt?“
Wie unterscheidet sich Ihr Job von früher? Sie stehen jetzt auf der anderen Seite – sind in Verantwortung bei einem Unternehmen statt bei einer Bank. Und was darüber hinaus?
Diederich: Eine Bank ist ein hochreguliertes Gebilde, da gibt es die BaFin und die EZB. Es geht nicht so sehr um Kreativität, sondern mehr um die Vermeidung von Risiken. Beim FC Bayern ist es anders. Wie fokussiere ich mich aus diesem Blumenstrauß an Möglichkeiten und auf welche Geschäftsmodelle konzentriere ich mich? Die Kollegen und mich eint diese Leidenschaft für unternehmerische Freiheit mit dem Ziel, den maximalen sportlichen Erfolg zu erreichen.