Die UN-Mission im Irak warnt: „Der Nahe Osten befindet sich an einem kritischen Punkt.“ Der Konflikt im Gazastreifen, bewaffnete Auseinandersetzungen anderswo – das alles könne zu einem „Flächenbrand“ führen. Den eindringlichen Worten vom Samstag waren Raketeneinschläge in der Luftwaffenbasis Ain Al Asad im Westirak vorausgegangen. Ein irakischer Soldat und mehrere der amerikanischen Soldaten, die dort stationiert sind, wurden durch den Angriff verletzt, hinter dem irantreue schiitische Milizen vermutet werden. Teherans irakische Waffenbrüder haben im Zuge des Krieges im Gazastreifen ihre Attacken auf das amerikanische Militär verstärkt. Washington hatte Anfang Januar einen aufsehenerregenden Gegenschlag geführt und einen Milizführer durch einen Drohnenangriff getötet.
Die Attacke von Ain Al Asad war nicht der einzige Vorfall an einem Wochenende, in dem die Region einem Flächenbrand noch einen weiteren Schritt näher gekommen ist. Der schwerwiegendste wurde aus der syrischen Hauptstadt Damaskus gemeldet: Dort wurden am Samstag laut iranischen Angaben fünf „Militärberater“ aus den Reihen der iranischen Revolutionswächter durch einen Israel zugeschriebenen Luftangriff getötet. Unter ihnen war demnach der für Syrien zuständige Leiter des Geheimdienstes der Quds-Einheit, der für Auslandsoperationen zuständigen Elitetruppe der Revolutionswächter. Aus Teheran kamen umgehend scharfe Verurteilungen und Drohungen. Präsident Ebrahim Raisi erklärte, die „Fortsetzung solch krimineller und terroristischer Aktionen“ würde „nicht unbeantwortet“ bleiben.
Kriegswahrscheinlichkeit höher als früher
Die Konfrontation mit der irantreuen israelfeindlichen „Achse des Widerstandes“ hat schon viele Schauplätze jenseits des Gazastreifens. Weite Teile der Region sind längst von einem Schwelbrand erfasst: Die Angriffe der von Teheran geförderten Huthi-Rebellen auf die Schifffahrt im Roten Meer haben die Vereinigten Staaten tiefer in den Konflikt hineingezogen, deren Militär in den vergangenen Tagen mehrmals Ziele im Jemen attackiert hat, auch am Wochenende wieder. An der israelisch-libanesischen Grenze wird seit Monaten täglich und mit zunehmender Intensität gekämpft. Das israelische Militär führt inzwischen Angriffe auf Führer der irantreuen Hizbullah oder von deren palästinensischen Bundesgenossen der Hamas, auch weit jenseits des Grenzlandes. Am Samstag wurde, nur wenige Stunden nach dem Luftangriff von Damaskus, in der Nähe der Stadt Tyros ein Auto von einer Drohne angegriffen. Zwei Hizbullah-Mitglieder wurden nach Angaben der Schiitenorganisation und der libanesischen Staatspresse getötet.
Die Mechanik der Eskalation, die der monströse Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober in Gang gesetzt hat, scheint nur schwer zu stoppen zu sein. Trotz regelmäßiger Bekräftigungen, einen umfassenden großen Krieg vermeiden zu wollen, bewegt sich die Region stetig in diese Richtung – zwischen den Leitplanken über Jahrzehnte eingeübter Verhaltensmuster und Reflexe, von Vergeltungsschlag zu Vergeltungsschlag wie ein Perpetuum mobile der Eskalation auf Autopilot. Selbst ein iranischer Diplomat, dessen Führung den Terror der Hamas, der Huthi und der Hizbullah fördert, bemühte unlängst das Bild von Schlafwandlern, die sehenden Auges in einen großen Krieg taumelten.