Innig war die Umarmung zwischen Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Amtsübergabe Anfang Jahr in Brasília. Und sie wird es wohl auch an diesem Montag sein, wenn die beiden sich in Berlin wiedersehen. Vielen geht es so mit den Brasilianern.
Schnell gewinnt man das Gefühl, ihr bester Freund zu sein. Doch Lula nimmt auch andere in die Arme. Eigentlich fast alle. Wohl kein anderer Präsident kann behaupten, sowohl von Fidel Castro als auch von George W. Bush als Freund bezeichnet worden zu sein.
Nun ist Lula nach einer ersten Präsidentschaft zwischen 2003 und 2010 ein weiteres Mal an der Macht. Der 78 Jahre alte Politiker wurde von einem Kind einer armen Familie zum Gewerkschaftsführer und zum Präsidenten. Dann wurde er auf umstrittene Weise zu einer Haftstrafe verurteilt und kam auf ebenso umstrittene Weise wieder aus dem Gefängnis heraus, um schließlich seinen rechtspopulistischen Vorgänger Jair Bolsonaro in der Stichwahl zu schlagen. Ein Gefühl, irgendwie unbesiegbar zu sein, ist bei diesem Lebenslauf wohl unvermeidbar.
Wie verlässlich ist Lula?
Auch in der Beziehung zu Europa wähnt Lula sich in einer starken Position. Er selbst war nie ein überzeugter Umweltschützer. Doch er hat die Zeichen der Zeit und die Bedeutung (und Macht) erkannt, die Brasilien in dieser Frage zukommt. Zwei Dutzend Abkommen in den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft, Energie und Technologie wird Brasilien mit Deutschland unterzeichnen.
Geschickt hat Lula die Klimafrage zum außenpolitischen Instrument gemacht, gerade in Europa, wo eine Energiewende ohne verlässliche Partner mit den notwendigen Ressourcen nicht möglich sein wird.
Doch wie verlässlich ist Lula? Jener Lula, der nach dem Angriff Putins auf die Ukraine beiden Seiten die Schuld am Kriegsausbruch gab; der die Hamas in seinen Kommentaren über den Krieg im Gazastreifen nicht als Terrororganisation bezeichnet und von einem Genozid durch die israelische Armee spricht; und der sich in der Gruppe der BRICS und auch in Lateinamerika an die Seite von autoritären Regimen stellt.
Lula da Silva will und wird sich in vielen Fragen nicht auf eine Linie mit dem Westen stellen. Nicht nur aus ideologischen Gründen. Brasilien profitiert vom Tanz auf allen Hochzeiten, den Lula wie kein Zweiter beherrscht. Er will Wortführer des Globalen Südens und Brückenbauer sein. Mit dem Vorsitz der G 20 steht ihm seit Anfang dieses Monats eine weitere Bühne zur Verfügung.
Dass der Westen dabei nicht immer gut wegkommt, muss man hinnehmen. Europa hat Partner, die viel heuchlerischer sind als Lula – und die einen dabei nicht einmal in die Arme schließen.