In der Werkstatt waren zwei Männer und ein Hund. Der schlüpfte nach draußen. Die Männer aber hatten keine Chance. Vorläufig festgenommen. Die Beweislage schien eindeutig: In dem Nebenraum, in dem sie gerade gearbeitet hatten, standen Messbecher, Trichter, Siebe, eine Elektrowaage, Flaschen mit durchsichtigen Flüssigkeiten, Säcke und Tüten. In einer Wanne mit beigefarbenem Pulver lehnte ein Mörtelrührer.
Ganz hinten stand eine Tablettiermaschine, ein mannshohes Ungetüm, das Pulver zu Pillen verdichtet. Die metallenen Stempel, die dafür mit viel Druck aneinandergepresst werden, hatten zwei Prägungen: Von unten erhielten die Tabletten eine Bruchlinie, von oben zwei ineinander verschlungene Mondsicheln – ein Logo, das die Polizisten sofort erkannten.
Der Degussa-Konzern aus Frankfurt hatte Anfang der Sechzigerjahre ein Medikament auf den Markt gebracht, das genauso aussah: Captagon. Es wurde zur Behandlung von ADHS, Narkolepsie und Depressionen verschrieben. Doch das ist lange her. Heute ist Captagon ein illegales Aufputschmittel, das vor allem die arabische Halbinsel überschwemmt. Wichtigstes Produktionsland ist Syrien. Das Assad-Regime ist so tief in den Handel verstrickt, so abhängig von den Milliardeneinnahmen, dass von einem Narco-Staat die Rede ist.
Auch die Männer in der heruntergerockten Autowerkstatt waren Syrer. Die Ermittler fanden bei ihnen gut 270 Kilogramm Captagon, dazu Grundstoffe für weitere drei Tonnen. Ist die Droge mit der „zentral anregenden Wirkung“ (Beipackzettel von Degussa) also zurück in Deutschland?
In einer Lagerhalle knapp 50 Kilometer von Regensburg hatten Ermittler schon 2021 251 Kilogramm Captagon entdeckt. Wenig später waren es auf einem Autobahnrastplatz bei Hof 171 Kilogramm. Ende 2022 kontrollierten Zöllner am Flughafen Köln/Bonn Luftfrachtpakete mit Bremszylindern. Als sie diese aufschraubten, kam auch darin Captagon zum Vorschein. Sie leiteten ein Ermittlungsverfahren ein, in dessen Verlauf insgesamt 461 Kilogramm sichergestellt wurden, mehr als 3,2 Millionen Tabletten.
Deutschland wird zur Drehscheibe
Im Vergleich zum Nahen Osten, wo laut den Vereinten Nationen allein 2021 rund 80 Tonnen beschlagnahmt wurden, ist das nicht viel. Trotzdem geht es auch hier um ein kriminelles Millionengeschäft. Deutschland scheint zunehmend zur Drehscheibe der Captagon-Netzwerke zu werden, in denen der Assad-Clan und seine Schergen, die Hizbullah, Milizen sowie syrische und libanesische Drogenbosse die Fäden ziehen. Mit welchen Folgen? Und was bedeutet es, dass jetzt auch hierzulande Captagon produziert wird?
Um diesen Fragen nachzugehen, haben Reporter der F.A.Z., der Mediengruppe Bayern, vom BR, MDR, rbb und vom SWR in den vergangenen Monaten Tausende Seiten vertraulicher Akten ausgewertet, waren in Gerichtssälen, haben mit deutschen und internationalen Ermittlern gesprochen, mit Experten – und einem Mann, der selbst in den Captagon-Handel involviert war.
Treffpunkt ist ein Hotel irgendwo in Deutschland. Der Mann will nicht, dass sein Name genannt wird oder dass ihn jemand anhand zu vieler Details erkennt. Was er aber erzählt, lässt sich durch Gerichtsunterlagen verifizieren. Er ist zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden. Hier soll er nun Yousef Ibrahim heißen.
Auch Ibrahim stammt aus Syrien, floh vor der Gewalt des Regimes nach Deutschland. Er integrierte sich schnell und gründete eine Spedition, mit der er vor allem Exporte in die arabische Welt abwickelte. Über Social Media, erzählt er, habe sich eines Tages ein Landsmann bei ihm gemeldet. Ibrahim sollte allerlei Waren nach Saudi-Arabien schicken – Testlieferungen, wie sich im Nachhinein herausstellte. Nach ein paar Monaten, sagt Ibrahim, habe der Mann ihm dann eröffnet, dass er Erektionspillen schmuggeln wolle. Einen fünfstelligen Betrag habe er dafür geboten. Ibrahim willigte ein.
„Ich will meine Schuld nicht bestreiten“, sagt Ibrahim. „Aber ich will eine Warnung aussprechen.“ Der Boss seines Geschäftspartners, der alles organisiert habe, wurde nie gefasst. Und für Männer wie ihn, sagt Ibrahim, sei es ein Leichtes, jemanden zu finden, den er für seine Geschäfte ausnutzen könne. „Das neue Land, die neue Sprache, wir stehen vor so vielen Herausforderungen.“ Wenn dann einer komme und sage: „Hey, du musst nicht weiterkämpfen, du kannst ganz einfach Geld verdienen, auch für deine Familie, die noch in Syrien ist.“ Dann denke man nicht mehr nach, sondern mache einfach. „Bis man im Knast landet.“
Die Pillen, die Ibrahim nach Saudi-Arabien transportieren sollte, waren Captagon. Die Polizei fand es bei ihm.
Schon der Degussa-Konzern exportierte einen Großteil seines Captagons in den Nahen Osten. Anfang der Achtzigerjahre verblieben gerade einmal vier Prozent der Produktion in Deutschland. Auch vom Schwarzmarkt, wo die „Capis“ als Wachmacher, Stimmungsaufheller und Dopingmittel gehandelt wurden, verschwanden sie wieder. In den arabischen Ländern aber setzten sie sich fest. Dort bekamen sie den Spitznamen „Abu Hilalain“: „Vater der zwei Halbmonde“.
„Es gibt nicht viele Statistiken über den Konsum und den Missbrauch von Captagon in Saudi-Arabien“, sagt Caroline Rose vom New Lines Institute in Washington. „Aber eines haben unsere Studien gezeigt: Captagon ist eine One-Size-fits-all-Droge.“ Es wird in allen Gesellschaftsschichten genommen. Wohlhabende Saudis schlucken die Pillen auf Partys oder um sich beim Lernen und der Arbeit besser konzentrieren zu können. Taxifahrer halten sich mit Captagon wach. Arbeitsmigranten, die in der Gastronomie und auf Baustellen schuften, hilft es, ihre Schichten durchzustehen.
Als Degussa Captagon entwickelte, bedienten sich die Chemiker eines Tricks: Sie schafften es, die beiden Wirkstoffe Amphetamin und Theophyllin zu einem neuen zu verbinden: Fenetyllin. Im Körper wurde dieser wieder in seine Bestandteile zersetzt. Der große Vorteil von Fenetyllin: Es wirkte wie Amphetamin, unterlag damals aber noch nicht den absatzhemmenden Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes. Der Nachteil: Die Nebenwirkungen waren mehr oder weniger dieselben wie bei Amphetamin – von Abhängigkeit über Halluzinationen und Psychosen bis hin zu lebensgefährlichen Schäden am Herzen.
In dem Captagon, das heute beschlagnahmt wird, ist kein Fenetyllin mehr. „Das sind Tabletten, die als Hauptwirkstoff Amphetamin enthalten“, sagt Lars Müller, Chemiker und Sachverständiger für Betäubungsmittel beim Bundeskriminalamt. In seinem Labor analysiert er synthetische Drogen. Er schreibt Gutachten für Gerichtsprozesse und kann anhand der Inhaltsstoffe auch feststellen, ob verschiedene Funde aus derselben Produktion stammen. Die Zusammensetzung des Captagons variiere stark, sagt er. Häufig fänden sie in den Pillen auch noch Koffein und Paracetamol, dazu Hilfsstoffe, die das Pulver zusammenhalten, und Tablettensprengmittel, die dafür sorgen, dass das Amphetamin nach dem Schlucken schnell freigesetzt wird.
Als Degussa Captagon einstellte, sprangen kriminelle Hersteller ein. Erst in Bulgarien, dann im Bekaa-Tal in Libanon, wo schon der Haschisch-Anbau eine lange Tradition hatte. Wie beim Opium in Afghanistan, wie beim Kokain in Kolumbien war es dann der Krieg, der die Drogenökonomie explodieren ließ. Kämpfer auf allen Seiten des syrischen Bürgerkriegs nahmen Captagon, gegen die Strapazen, gegen die Angst, gegen den Hunger. Lokale Geschäftemacher und Kriminelle, Familienclans und Milizen stiegen in die Produktion ein. Die Kriegsparteien verdienten mit.
Bei ihren Analysen, sagt Forscherin Rose, hätten sie in Syrien neben unzähligen kleinen auch mindestens 15 große Produktionsstätten ausfindig gemacht, ehemalige Pharmafirmen, in denen nun Captagon in industriellem Ausmaß hergestellt werde. Die meisten davon in Gebieten unter der Kontrolle Assads.
Als Ermittler aus Essen im Herbst 2020 einen Verdächtigen abhörten, prahlte auch der mit seinen guten Beziehungen zu dem Clan, der Syrien seit gut 50 Jahren beherrscht. „Alle Leute wissen, dass ich Partner der al-Assads war“, sagte er. Finanziell sei es ihm sehr gut gegangen. Sieben Millionen Dollar habe er „im Büro der Familie al-Assad“ hinterlassen, als er aus Syrien weggegangen sei.
Im Fokus der deutschen Ermittler war der Mann, der aus Damaskus stammte und in Gladbeck lebte, nach einem Hinweis aus Rumänien. Im Hafen von Constanta hatte der Zoll 1,2 Millionen Captagon-Tabletten gefunden. In den Lieferpapieren fanden die Zöllner eine deutsche Handynummer. Die führte zu dem Mann mit den guten Beziehungen. Und weiter zu einem Komplizen, der in Speyer lebte, Spitzname Abu Fouad.
Beide hatten in Syrien als Großhändler gearbeitet, Im- und Export, Gemüse, Baumaterialien, Lastwagen, Luxusautos. Nach Ausbruch des Krieges und Zerwürfnissen mit der Herrscherfamilie verließen sie das Land. So jedenfalls erzählten sie es vor Gericht. Beide wurden in Essen zu langen Gefängnisstrafen verurteilt – unter anderem für Captagon-Lieferungen von mehr als einer Tonne.
Der Handel ist für das syrische Regime überlebenswichtig
Abu Fouad, der regelmäßig nach Beirut reiste, hatte den Kontakt zu den Hintermännern in Syrien und den Abnehmern in Saudi-Arabien gehalten. Er war verantwortlich für die Logistik. Seinen Komplizen bat er, jemanden zu finden, der Captagon in einem europäischen Hafen am Zoll vorbei weiter nach Saudi-Arabien schicken könne, am besten in Rumänien, Ungarn, der Ukraine, irgendwo jedenfalls, wo es keine Scanner gebe, die Container durchleuchteten. In seinem Handy hatte der Mann 18.804 Kontakte.
Abu Fouad beschrieb den Ermittlern, wie der Assad-Clan am Captagon mitverdient: Der Hafen von Latakia, der wichtigste des Landes, werde von der 4. Division der Armee kontrolliert. Ihr Kommandeur ist Maher al-Assad, der jüngere Bruder von Diktator Baschar al-Assad. Für jeden Container mit illegalen Waren, sagte Abu Fouad, müssten rund 300.000 Dollar an die 4. Division gezahlt werden. Und noch einmal 60.000 an die Kontrolleure im Hafen. Sein Geschäftspartner in Syrien habe einmal versucht, Drogen an der 4. Division vorbeizuschmuggeln. Als das aufflog, sei dessen Bruder festgenommen und erst wieder freigelassen worden, als der Mann den fälligen Anteil plus Strafzahlung geleistet habe.
Für das syrische Regime sind die Einnahmen aus dem Captagon-Handel überlebenswichtig. Sicherheitsexperten schätzen das Volumen auf mehrere Milliarden Dollar, manche sogar höher als den Wert aller legalen Exporte Syriens, der zuletzt bei 5,5 Milliarden Dollar lag.
Die Grundstoffe für die Captagon-Herstellung kommen meist aus China oder Indien. Auch das zeigt der Essener Fall. In abgehörten Gesprächen erzählte Abu Fouad sogar davon, dass seine syrischen Geschäftspartner dabei seien, für 236.000 Dollar in China eine eigene Fabrik zu kaufen, in der Calciumcarbonat hergestellt wird, ein möglicher Trägerstoff für Amphetamin.
Die Kosten für die Rohstoffe und die Herstellung einer Tablette Captagon liegen bei wenigen Cent. In Saudi-Arabien liegt der Preis zwischen 15 und 32 Dollar. Eine gigantische Gewinnmarge. Da lohnt sich auch der Umweg über Europa, der immer beliebter geworden ist, seit Saudi-Arabien und andere betroffene Länder massiv gegen den Schmuggel vorgehen.
Jordanien lässt auf Schmuggler schießen und Captagon-Lager hinter der syrischen Grenze von Kampfflugzeugen zerstören. Container, die auf direktem Weg in die Golfstaaten transportiert werden, kontrolliert der Zoll dort bis auf die letzte Schraube. Autoteile, Maschinen oder Möbel aus Ländern wie Deutschland aber sind erst einmal unverdächtig. Also wird das Captagon hierhergebracht, in legalen Waren versteckt und weitergeschickt.
„Das ist etwas, worüber ich mir Sorgen machen würde“, sagt Antonio Hubbard. Er hat 25 Jahre für die amerikanische Anti-Drogen-Behörde DEA gearbeitet, an den Brennpunkten der Rauschgiftkriminalität, in Kolumbien, in Afghanistan und zuletzt in Afrika, wo er auch immer mehr Captagon beobachtete. Er warnt: „Kein Transitland wird Transitland bleiben.“
Rund um den lukrativen Captagon-Handel, das zeigen die gemeinsamen Recherchen, sind in Deutschland kriminelle Strukturen entstanden, bei deren Aufklärung sich die Behörden oft schwertun. Syrien ist für Ermittler ein schwarzes Loch, und auch in den Nachbarländern wie Libanon und der Türkei können sich gut vernetzte Hintermänner recht sicher fühlen. Aber nicht nur deswegen sind es vor allem die Handlanger, die in Deutschland vor Gericht landen.
Hintermänner entziehen sich den Ermittlern
Yousef Ibrahim, der verurteilte Captagon-Händler, sagt, er habe den Ermittlern nach seiner Festnahme alles erzählt. Er habe Hinweise auf den Drahtzieher gegeben, der zwar im Ausland lebe, aber immer wieder in Deutschland gewesen sei. „Ich habe gedacht, dass sie intensiver ermitteln“, sagt er.
Bei der Razzia in Regensburg wurden zwar die beiden Männer an der Tablettiermaschine erwischt, sodass sie im Frühjahr zu vier beziehungsweise gut acht Jahren Haft verurteilt werden konnten. Der Vater des einen aber, dem die Autowerkstatt gehörte und den die Ermittler für den Kopf der Bande halten, war durch den Zugriff gewarnt. Er konnte ins Ausland fliehen.
Unklar ist auch noch, was die Regensburger Bande mit den Männern zu tun hat, die derzeit in Aachen vor Gericht stehen. Den vier Syrern werden gleich mehrere Funde zur Last gelegt, versteckt in Bremszylindern, eingeschmolzen in Duftkerzen, in einem Pizzaofen und in einer Garage in Würselen, 461 Kilogramm insgesamt. Es ist der größte Captagon-Fall in Deutschland bislang. Fingerabdrücke und DNA-Spuren des einen Angeklagten fanden sich den gemeinsamen Recherchen zufolge aber auch in Regensburg. Und zwar auf Säcken, in denen Captagon lagerte. Wie sie da hingekommen waren und ob die Verbindung möglicherweise auf größere Strukturen verweist, scheinen auch die Ermittler nicht zu wissen.
„Wenn Sie in Ihrem Land Produktionsstätten finden“, sagt Ex-DEA-Mann Hubbard, „dann haben Sie die Phase des Transits überschritten.“ Und er führt seine Warnung weiter aus: Von jeder Droge bleibe auch immer etwas in dem Land zurück, in dem sie produziert oder durch das sie transportiert werde. Und schaffe ihr auch dort ihren Markt.
Deutsche Polizei sieht keinen bemerkenswerten Captagon-Konsum
Die deutsche Polizei will das so nicht bestätigen. „Einen Captagon-Konsum stellen wir in Deutschland bis heute nicht fest, maximal vereinzelt“, sagt Lutz Preisler, Sachgebietsleiter für den Bereich synthetische Drogen beim BKA. Er verweist darauf, dass Amphetamin in Pulverform nach Cannabis die meistkonsumierte Droge in Deutschland ist. Es bestehe folglich keine Notwendigkeit, es auch in Tablettenform auf den Markt zu bringen. Man gehe davon aus, dass sich Captagon nicht etablieren werde, sagt er.
Anders sieht das der Wirtschafts- und Islamwissenschaftler Ahmad A. Omeirate, der in Essen in der Flüchtlingshilfe arbeitet. „In der syrisch-arabischen Community ist Captagon durchaus ein Problem“, sagt er. Die Menschen wollten das, was sie kennen. Und an die Tabletten zu kommen sei auch in Deutschland nicht schwer. „Die kriegen Sie locker, da müssen Sie nur die richtigen Leute kennen oder in den richtigen Foren sein.“ Zwei, drei Euro sei der Preis für eine Pille hierzulande.
Andere Gesprächspartner berichten Ähnliches, etwa der Direktor einer arabischen Sprachschule in Berlin, der immer wieder mit syrischen Eltern zu tun hat, die sich große Sorgen machen, weil ihre jugendlichen Kinder Captagon konsumierten. Omeirate warnt davor, das Problem zu unterschätzen, auch wenn es sich bisher nur auf einen kleinen Teil der Gesellschaft beschränke.
Die Tabletten aus der Regensburger Werkstatt wurden, soweit es die Ermittler nachvollziehen konnten, exportiert. Die Abnehmer waren zufrieden mit der Qualität. In einem Whatsapp-Chat lobte ein Geschäftspartner, dass man sie getestet und für gut befunden hätte, da man lange wach bleibe und sie keine Übelkeit verursachten.
Aus abgehörten Telefonaten ging hervor, dass die Regensburger immer wieder in die Niederlande gereist waren, um dort etwas abzuholen. In einem Gespräch sprachen sie davon, dass „diese“ noch zu feucht sei. Dann diskutierten die Männer, wie sie das „Pulver“ „hängen, mahlen, rühren, trocknen“ könnten, bevor es in die Maschine komme. Für die Ermittler war klar, worum es ging: Amphetaminsulfat.
Zunehmende Produktion in Europa
Bei der Herstellung von Amphetamin sind die Niederlande so etwas wie Weltmarktführer. Und so ist es nicht verwunderlich, dass auch in den Drogenlaboren dort gelegentlich Captagon-Tabletten gefunden werden – Auftragsarbeiten für die internationalen Netzwerke, oder wie Ermittler sagen: „Crime as a service“.
Genauso wenig verwunderlich ist es, dass auch die in Deutschland ansässigen Netzwerke auf das Angebot im Nachbarland zurückgreifen. Mit einer eigenen Tablettiermaschine, rechnete schon 2021 ein Kronzeuge in einem Verfahren gegen libanesische Captagon-Händler vor, die in Österreich und Bayern aktiv waren, hätten sie alle 20 Tage 1,5 Tonnen Captagon herstellen können.
Die Täter ersparen sich so nicht nur den zunehmend riskanten Transport aus dem Nahen Osten nach Europa, sie können sich auch aus der Abhängigkeit vom Assad-Regime und anderen lösen. So fällt noch mehr von den kriminellen Erlösen für sie selbst ab. BKA-Experte Preisler sagt: „Ich glaube, das Captagon-Thema wird uns noch länger beschäftigen.“
Als der türkische Zoll vor wenigen Wochen 1,7 Millionen Captagon-Tabletten beschlagnahmte, waren diese in Tütchen verpackt, auf denen stand: „Made in Germany“. Ein Werbegag der syrischen oder libanesischen Produzenten höchstwahrscheinlich. Vielleicht sollte es aber auch als Warnung verstanden werden.