Friedrich Merz hat die letzte von sechs Konferenzen über den Entwurf für das neue Grundsatzprogramm zum Anlass genommen, um auf die bisherige Zeit in der Opposition zurückzuschauen. Auf der Veranstaltung mit der Parteibasis in Berlin erinnerte er an ein Trauma der Partei. Die CDU habe die Bundestagswahl im Jahr 2021 verloren, „weil wir nicht mehr gut genug waren“, sagte Merz am Freitagabend. Die CDU/CSU-Fraktion habe erst lernen müssen, Opposition zu sein, Ideen zu entwickeln und zu sagen, was man besser und anders machen könne.
Vor einem Jahr habe er der Bundestagsfraktion gesagt: „Wir sind jetzt angekommen in dieser Rolle.“ Er habe auch gesagt, dass es nun in der zweiten Phase darum gehe, ein Programm zu entwickeln. „Das haben wir geschafft.“ Mit dem Parteitag im Mai, auf dem die Delegierten Änderungsanträge beraten und das neue Programm beschließen sollen, ende diese Phase. Dann sei die Partei aufgestellt für nationale Wahlen – auch wenn sie früher kämen.
Schwierige Themen bleiben aus
Wie schon auf den Konferenzen in Mainz, Hannover, Chemnitz, Köln und Stuttgart bekamen die CDU-Anhänger auch in Berlin Gelegenheit, ans Mikrophon zu treten. Und wieder lief das recht geräuschlos ab. Schwierige Themen kamen in Berlin nicht auf. Die aktuelle Debatte über die Entscheidung der CDU-Fraktion im Dresdner Stadtrat, einem AfD-Antrag zur Bezahlkarte für Asylbewerber zuzustimmen, sprach niemand an.
In seiner Rede, in der Merz die AfD abermals als „Abstieg für Deutschland“ bezeichnete, streifte er die Brandmauerfrage nur kurz, ohne auf den Dresdner Vorfall einzugehen. „Mit diesen Leuten gibt es keine Zusammenarbeit“, sagte er. Schon früher am Tag hatte er gesagt, die Entscheidung der CDU-Fraktion im Dresdner Stadtrat sei „in der Sache richtig, im Verfahren inakzeptabel“.
Hinter verschlossenen Türen
Ein junger Mann wollte von Merz wissen, wie die Union nachhaltig geschlossen auftreten könne. Den Ball nahm der Vorsitzende von Partei und Fraktion gerne auf. „Wir sind doch vollkommen zerstritten durch dieses Wahljahr gelaufen“, sagte er über das Jahr 2021. Markus Söder und er seien sich darin einig, dass sich das nicht wiederholen werde. Merz wiederholte ein Versprechen: „Wir werden mit einem gemeinsamen Vorschlag in dieses Wahljahr gehen.“
Merz sprach von einer „neuen Diskussionskultur“ in Partei und Fraktion, die da laute: Es werde über alles diskutiert, aber hinter verschlossenen Türen und nachher würden gemeinsame Entscheidungen getroffen und vertreten. So habe in der vorletzten Woche die Bundestagsfraktion sehr offen über den Taurus diskutiert, also über die Frage, ob Berlin Kiew den Marschflugkörper bereitstellen soll, was die Union vertritt. Da habe es Kollegen gegeben, die Bedenken gehabt hätten und auch welche, die erhebliche Vorbehalte gehabt hätten. Und er habe in der Fraktionssitzung gesagt, darüber werde offen und mit Zeit diskutiert. Niemand werde zurechtgewiesen.
Eine kritische Frage gab es auf der Konferenz in Berlin dann doch trotz aller Einmütigkeit. Eine Frau, die sich sehr für den Programmentwurf bedankte, forderte mehr Beteiligung der Mitglieder ein und fragte: „Wer hat entschieden, dass Ursula von der Leyen Spitzenkandidatin wird?“ Merz entgegnete, dass das in einem Prozess der Bundespartei und „mit den Kolleginnen und Kollegen in ganz Europa“ entschieden worden sei und von der Leyen sich einer geheimen Abstimmung auf dem gewählten Parteikongress der EVP gestellt habe.
Und dann kam die Pointe: Jetzt könne man natürlich an jeder Entscheidung Kritik üben, aber er wolle mal die Alternative nennen, sagte er und verwies auf den Koalitionsvertrag der Ampel. Da steht, dass das Vorschlagsrecht für die Europäische Kommissarin oder den Europäischen Kommissar bei den Grünen liegt, „sofern die Kommissionspräsidentin nicht aus Deutschland stammt“. Schmunzeln im Saal. „So, und jetzt mal ganz kurz vor Ihrem geistigen Auge: Hofreiter oder Ursula von der Leyen?“ Der Lacher saß.