Tote Fische im Landwehrkanal, rote amerikanische Sumpfkrebse im Tiergarten, der ausgetrocknete Fresdorfer See im Süden der Hauptstadt – der Klimawandel macht sich seit Jahren direkt vor der Nase der Berlinerinnen und Berliner bemerkbar. Man muss nur hinschauen.
Genau das hat die Berliner Studentin Lina Pfeiffer getan: In Zusammenarbeit mit Google Maps hat sie im Rahmen ihrer Bachelorarbeit eine Online-Karte für Berlin und Brandenburg entwickelt, die die Auswirkungen des Klimawandels visualisiert. Seit einigen Wochen ist die interaktive „Climate Stories Map“ nun online. Wer will, kann dort seine persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen teilen.
„Es passiert jetzt gerade akut“
Alles begann mit einem Gespräch mit Freunden, sagt Pfeiffer zu FOCUS online Earth. „Sie haben ein Haus in Brandenburg an der Havel und haben mir von den Eichenprozessionsspinnern erzählt, wegen denen sie gar nicht mehr draußen im Garten sitzen können“, so die 22-Jährige. In den Wochen danach, sagt Pfeiffer, sei sie mit einem anderen Blick durch den Alltag gegangen, habe immer wieder Orte bemerkt, die sich schon durch die Erderwärmung verändert haben.
So entstand der Plan, einen zentralen Anlaufpunkt zu schaffen, der einen nachvollziehbaren Überblick gibt, wie es grade in der Region aussieht. „Meine Hoffnung ist es, das Bewusstsein der Leute zu schärfen, aufzuzeigen, dass der Klimawandel nicht ganz weit weg passiert oder erst die nächsten Generationen betrifft”, sagt Pfeiffer. „Sondern es passiert jetzt gerade akut und zwar direkt vor meiner Haustür.“ Sie sei schon länger in der Klimabewegung aktiv und habe das Gefühl gehabt, dass es eine Plattform braucht, wo sich alle am Diskurs beteiligen können. Pfeiffers Wunsch: Eine Ende des wechselseitigen Fingerzeigens und der Anschuldigen – und der Beginn eines gemeinschaftlichen Prozesses.
Fluten, Waschbären – und einfach nur Angst
Und dieser Plan verfängt. Inzwischen hat die Karte nach Pfeiffers Angaben schon mehr als 2000 tägliche Nutzerinnen und Nutzer. Pfeiffer berichtet von E-Mails, in denen sich Leute über die Möglichkeit bedanken, ihre Beobachtungen und Sorgen teilen zu können. In verschiedenen Kategorien von „Überflutung“ über „Extremes Wetter“ oder „Verschmutzung“ bis hin zu „psychologischen Auswirkungen“ können die Userinnen und User ihre Eindrücke teilen. Von 416 Hitzentoten in Berlin im Jahr 2022 berichtet da jemand, oder von Wildtieren wie Füchsen, Waschbären und Bussarden, die vermehrt im Garten auftauchen. Besonders bewegt habe die Studentin aber der Beitrag einer Person, die über ihre Angst vor dem Klimawandel redet – auch das sei eine Auswirkung, die man oft nicht auf dem Schirm habe, so Pfeiffer.
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Die Verifikation der Beiträge übernimmt die Studentin aktuell noch allein, wobei sie hofft, dass sie bald Unterstützung bekommt. Dazu nutzt sie Zeitungsberichte aus der Gegend, die Ähnliches berichten oder nimmt mit den örtlichen Politik und den Behörden Kontakt auf. „Es ist schwer zu hundert Prozent nachzuweisen, dass der Klimawandel der Auslöser war”, sagt Pfeiffer aber auch. “Die Prozesse dahinter sind relativ komplex.“
Zudem setzt sie auf die Kommentarfunktion – „eine Art Selbstmoderation“. Dann könne die Community bestimmte Beobachtungen selbst verifizieren. Perspektivisch plant Pfeiffer die Karte für ganz Deutschland auszubauen – vorerst will sie sich aber auf Berlin konzentrieren.